Autor Thema: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!  (Gelesen 9018 mal)

Offline Clewi

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Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« am: Juli 14, 2010, 04:27 »
Hallo, bin neu hier. Muß mich erstmal hier einrichten, mit Profil und so! Aber ich habe da ein Problem das mir unter den Nägeln brennt, und die Informationslage im Netz ist etwas dünn.

Vor allem im Laufe der letzten Monate hat sich die Lage bei meiner BZ-Einstellung immer mehr verschärft, aber ich habe schon seit einigen Jahren Probleme mit meinem zunehmend instabilen BZ. Nach einigem Tüfteln mit Tagebuch und Statistiken hat sich folgendes Bild ergeben:

Werte unter 120 mg% lösen bereits innerhalb von 3-6 Stunden einen starken Anstieg des BZ aus. Je tiefer desto heftiger. Das geht bei 200-220 los und endet in Einzelfällen sogar bei über 400 mg%. Dem folgt dann eine stark erhöhte Insulinempfindlichkeit, die dann in eine heftige Hypo mündet - nicht selten recht zeitnah nach einer Messung mit normwertigen oder erhöhtem BZ, z.B. vor dem Schlafengehen. Und dann geht es wieder von vorne los! Der komplette Vorgang kann sich über 24 Stunden hinziehen. Die Schwankungen sind so extrem, das einfacher Korrekturbolus oder, wenn abwärts geht, ein paar KH, kaum noch Wirkung zeigen. Die einzige Möglichkeit, die sich als halbwegs brauchbar erwiesen hat, ist die rechtzeitige temporäre Anpassung der Basalrate nach oben oder unten für einige Stunden zum gezielten Gegensteuern (dank Pumpe kein Problem). Das mache ich aber erst seit kurzem. Frequenz und Amplitude der Ausschläge der BZ-Verlaufskurve sind seither etwas besser geworden, vor allem bei den Hypos (Standardabweichung von 70+ runter auf ~40, der Mittelwert liegt aber unverändert zwischen 140 und 150 mg%).

Das klappt aber in der Praxis keineswegs immer so glatt, denn mit Messungen alle 4-5 h läßt sich die Tendenz nur sehr unsicher bestimmen, denn in dieser Zeit kann der BZ sonstwas machen - z.B. unbemerkt knapp unter 120 mg% sinken! Böse Falle! Da ist die nächste Hypo in 10 Stunden vorprogrammiert, und ich bin ahnungslos! Hier ist einfach das Problem, das ich viel mehr Messungen bräuchte, denn ich muß ja, um die richtige Einstellung zu wählen wissen, in welche Richtung der BZ sich bewegt und vorzugsweise auch die Geschwindigkeit. Da ist also auch die Mathematik im Wege: die Bestimmung der Steigung einer Kurve (also den BZ-Verlauf) gestaltet sich naturgemäß recht schwierig mit nur einem Wert! Und die vorherigen Werte sind aufgrund des zeitlichen Abstands in dieser blöden Situation nur sehr bedingt von Nutzen. Wenn ich also nicht zufällig weiß, ob meine Insulinempfindlichkeit gerade hoch oder niedrig ist, kann ich nur noch raten! Einigermaßen einschätzen kann ich das eigentlich nur, wenn ich gerade einen recht niedrigen Wert gemessen habe. Dann weiß ich in etwa, wie der Hase in den nächsten Stunden läuft.

Richtig übel ist es aber, wenn irgendeine Form von Belastung hinzu kommt, da diese den BZ in völlig unberechenbarer Weise durcheinander würfelt. Also alles was mit dem Verlassen der Wohnung zusammenhängt. Was dazu geführt hat, das ich das schon geraume Zeit nicht mehr tue. Außer zum Einkaufen - und da hat es mich trotz vorheriger Messung + reichlich KH auch schon von den Füßen gehauen -  bleibe ich in der Bude. Ich muß sagen das ich seit einigen Jahren EM-Rentner bin und mir daher diesen Luxus leisten kann, als unfreiwilliger Eremit zu leben. Spaziergänge u.ä. oder gar Sport finden seit ca 2 Jahren nicht mehr statt, weil mir der Preis dafür einfach zu hoch geworden ist. Und so richtig Spaß macht das unter diesen Umständen auch nicht mehr.

Also was nun? Ein Leben auf 20 qm und ständiger Angst vor der nächsten Messung? Oder kann man diesen Unsinn wieder irgendwie hinbiegen? Hat jemand so was schon erlebt? Ich bin ja schon echt gespannt!   

Offline Andi

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #1 am: Juli 14, 2010, 06:57 »
Hallo, Clewi

Das hört sich alles nicht so toll an :nein:
Auf alle Fälle hast Du das sicherlich schon mit Deinem DiaDoc durchgesprochen.
An Deiner Stelle würde ich hier mal, aufgrund der "wenigen" Messungen, dazu tendieren, ein CGMS ins Gesrpäch zu bringen.
Mehr fällt mir leider auch nicht ein.
.                                                       ,---> SiDiary ==> Bericht ist für den DOC
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Offline Joa

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #2 am: Juli 14, 2010, 08:12 »
Hallo Clewi,

Deine Darstellung liest sich schon merkwürdig.   :kratz:

Irgendwie vielleicht nach einer eigenartigen hormonellen Regulationsstörung oder nach einem vermurksten Therapieschema.

Wie sieht denn Deine Basalrate aus und wie sind Deine TGDs (Tagesgesamtdosen) im Schnitt?

Welche IE/BE-Faktoren? Bist Du Männchen oder Weibchen? Alter, Größe, Gewicht?

Was meint denn Dein Diabetologe dazu?

Schönen Tag und Gruß

Joa


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Offline Joerg Moeller

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #3 am: Juli 14, 2010, 10:09 »
Was mir dazu einfällt: entweder ist die ganze Einstellung komplett verbogen, weil da zu oft/zu schnell dran gedreht wird oder es kommen noch andere unbekannte Faktoren hinzu. Letzteres könnte mal ein Facharzt für Endokrinologie abklären.

Für ersteres würde ich mir einen CSII-erfahrenen Diabetologen suchen. z.B. http://www.diabetesdorfalthausen.de/

Viele Grüße,
Jörg
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Offline Clewi

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #4 am: Juli 14, 2010, 14:07 »
@Andi: CGMS hatten wir beantragt, aber ist halt GKV. "Unwirtschaftlich", lautete das Verdikt! Mildernde Umstände wie den Erhalt von Arbeitsfähigkeit konnte ich auch nicht geltend machen, da ich ja schon Rentner bin. Und Dinge wie die Möglichkeit, mich wieder sportlich zu betätigen, was ich eigentlich ganz gerne tue, und Krankenkassen sonst gerne sehen, auch nicht. Und irgendwelche medizinischen Gründe konnte man am Allerwenigsten ausmachen.

Ich denke zwar das hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, aber seien wir ehrlich: es sieht nicht gut aus! Zumal Selbstzahlung als EM-Rentner auch nicht drin ist.

Ich sehe ja bei meiner Freundin, die auch Pumpe trägt, was bei einem zickigen Diabetes so alles abgeht. Aber ich wage mal zu behaupten, das dies bei mir jetzt doch deutlich über das vertretbare übliche Maß hinausgeht!

@Joa: Regulationsstörung ist nicht völlig auszuschließen, da ich auch eine Polyendokrinopathie Typ II habe. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang laut Doc eher gering, weil die Abläufe beim BZ einfach viel zu schnell sind. Das schaffen sonst nur kapitale Stoffwechselentgleisungen.

Einen erheblichen Einfluß hat es aber auf die allgemeine Einstellung der Therapie, weil eine ICT kaum möglich ist, denn der Basalverlauf ist eher flach. Da hat man mit Verzögerungsinsulin keine rechte Freude.

TGD ist bei 45 IE und teilt sich 26/19 IE für Bolus und Basal (alles Durchschnitt) bei 20 KE/d, give or take. Bin m, 38, 184, 85 kg.

Was das vermurkste Therapieschema angeht....nun, schon eher! Ich hatte seit langem eine recht stramme Einstellung. Hypos waren recht häufig, im Schnitt 8-10 pro Woche. Die BZ-Werte waren im Schnitt entweder sehr hoch oder sehr niedrig. Und jetzt im Nachhinein sehe ich in den Aufzeichnungen, das es auch schon früher heftige Gegenregulationen gab, die ich aber aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen Ursache und Wirkung und nur mit Blick auf die nackten Zahlen nicht als solche erkannt habe. Die gingen dann aber so bei 60-70 los, nicht bei 120. Das ist ein recht frisches Phänomen.

@Jörg: Endos habe ich schon einige durch, aber helfen konnte mir keiner. Dafür habe ich jetzt gleich zwei gefunden, die jeweils sowohl Endo als auch Diadoc sind. Und nur zwei Strassen weiter......im Krankenhaus! Oberarzt und Chefarzt. Ich war zuletzt im Dezember dort mit böse entgleistem BZ. Die Sachen mit der Gegenregulation war mir damals noch nicht klar, ich war halt einfach instabil. Der Oberarzt macht demnächst eine endokrinologische Ambulanz auf, aber das scheint sich noch hinzuziehen. Wenn es noch lange dauert rufe ich ihn mal an und frage ihn, ob er mich ein paar Tage stationär aufnimmt. Meine neugewonnenen Erkenntnisse dürften ihn sicher interessieren! Seine Nummer hat er mir ja extra gegeben. Denn mit meiner gegenwärtigen Therapie der Polyendokrionopathie ist er recht unzufrieden, vor allem wegen der Testosteronsubstitution. Gefällt ihm gar nicht. 

hws

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #5 am: Juli 14, 2010, 16:39 »
Es gibt auch Diabetologen, die mit Miet-CGMS-Geräten arbeiten. Da mal 4 - 5 Tage ein Gerät tragen.
Adeus
HWS

Offline Wille

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #6 am: Juli 14, 2010, 19:49 »
Es gibt auch Diabetologen, die mit Miet-CGMS-Geräten arbeiten. Da mal 4 - 5 Tage ein Gerät tragen.
Adeus
HWS

Genau!
Bei meinem Diabetologen kann man das z.B.
Ist auch gar nicht sooo teuer, ich glaub irgendwas um die 80 - 100 Euro oder so...

Viele Grüße,

Alex

Offline zuckersuesse1975

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #7 am: Juli 14, 2010, 21:40 »
bei "meinem" (neuen) diabetologen wird das auch angeboten, kostet 70 € (preis für sensor oder so was), das "mieten" des geräts ist kostenlos.
liebe grüsse
c.

Offline Clewi

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #8 am: Juli 14, 2010, 22:33 »
Das mit dem Mieten ist ja ganz nett, geht hier aber am Problem vorbei. Denn es geht ja nicht um die Einstellung der Basalrate oder sowas. An der drehe ich ja lediglich rum weil sich das als genauer und effizienter als ein Korrekturbolus allein erwiesen hat. Am besten funktioniert die Kombination aus beidem. Was ich bräuchte wären entweder ausreichend Teststreifen, mit denen ich mehr Zwischenmessungen machen kann, um damit den Grad der Insulinresistenz besser einschätzen zu können, oder eben ein CGMS im Dauerbetrieb, das mir die Tendenz direkt anzeigt. Insofern würde eine kurzzeitige CGMS-Nutzung eben nur in dieser Zeit nützen, danach hätte ich davon nichts mehr. Da die GKV unmissverständlich deutlich gemacht hat das sie ein CGMS ungeachtet der medizinischen Indikation prinzipiell nicht bezahlen wird (abwarten, Freunde!), und eine deutliche Erhöhung der Teststreifenmenge ebenfalls nicht machbar ist (wird sich zeigen), bleibt zunächst nur die Suche nach Möglichkeiten, irgendwie aus dieser dummen Situation wieder rauszukommen. Bin ja schließlich auch irgendwie reingekommen.

Zumindest weiß ich inzwischen das ich keinen Brittle habe, und die plötzlichen unerklärlichen Hypos wohl doch nicht ganz so unerklärlich sind. Und sogar vermeidbar. Mit ein wenig Glück sogar komplett. Ist ja schonmal ein Fortschritt gegenüber den letzten Jahren! Dank SiDiary.

Noch eine Sache: ob 80-100 Euro wirklich "gar nicht sooo teuer" sind ist wohl eine sehr subjektive Sichtweise.

Offline Joerg Moeller

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Re: Gegenregulation schon bei 120 mg%?!
« Antwort #9 am: Juli 15, 2010, 10:23 »
... Basalrate oder sowas. An der drehe ich ja lediglich rum weil sich das als genauer und effizienter als ein Korrekturbolus allein erwiesen hat. Am besten funktioniert die Kombination aus beidem.

Dem kann ich nicht so ganz zustimmen. Wenn das wirklich so optimal funktioniert: woher dann deine Probleme? Bei Endokrinopathien ist es sicher nicht leicht ein funktionierendes Basalprofil zu finden. Ich würde da versuchen die Schwankungsbreite herauszufinden und ein Profil erstellen, daß in etwa das Mittelmaß abdeckt. Und die Korrekturen dann mit Boli und TZ. Wenn man an zu vielen Schrauben gleichzeitig dreht macht es das nur schwieriger den Urheber für ein konkretes Problem zu finden. Ganz abgesehen davon, daß es auch die Up-/Down-Regulation beeinflusst:
http://www.chrostek.de/Curriculum/up-und-down-regulation

Viele Grüße,
Jörg
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