Allgemeiner Einschub/Erfahrungsbericht von mir (Typ1 seit 12 Jahren) :
Ich bin/war immer top eingestellt, vong HbA1c her.
Auch vor einigen Jahren. Allerdings war es da um meine generelle Einstellung nicht gut bestellt. Ich habe mich immer weiter von den "normalen" Annahmen einer "normalen" Typ1-Therapie entfernt. Ich meinte, ich wäre etwas ganz besonderes. Bedingt durch die Tatsache, dass der Diabetes eben ein bisschen nervig ist, habe ich meine Mahlzeiten evtl etwas ungenau geschätzt (abwiegen muss man ja nichts mehr, man ist ja schon sooo lange Diabetiker und weiß alles über seine Nahrung) und die Insulindosen eher nach "eigenen Regeln" gegeben. Ich habe ein ziemlich unausgewogenes Bolus/Basal-Verhältnis und ich hatte mir relativ unnormale Formeln zur Bolus-Berechnung zurecht gelegt, à la "6 IE plus 0,5 IE pro BE". Bei ungefähr gleichen BE-Mengen hat das einigermaßen gut geklappt. Allerdings gab es auch häufig Ausreißer nach oben und nach unten. Gerade bei kleinen BE-Mengen führte die Herangehensweise logischerweise gerne mal zu Hypos. Also habe ich bei kleineren BE-Mengen einfach gesagt "Okay, das gibt pauschal 4IE" o.ä. Ich habe also "mein" System an "mich" angepasst. V.a. die Hypos wurden extremer - vermutlich war es auch oft Glückssache, dass ich nie das Bewusstsein verloren habe. Aber es war egal, der HbA1c hat ja immer gestimmt, also habe ich so weiter gemacht und in der Therapie "Flickschusterei" betrieben. Bei der Diabetologin kamen meine doch recht starken BZ-Schwankungen zur Sprache und sie hat eine Besprechung für mich bei einem weiteren Diabetologen für mich terminiert - ein alter weiser Mann, von dem ich als junger besserwissender Diabetiker dachte "Was soll der schon wissen? Der kommt ja aus dem letzten Jahrtausend. Es ist doch
mein Diabetes, der ist eben individuell. Für mich gelten eben andere Regeln und dass meine Werte schwanken ist eben Pech, dafür kann ich nichts.". Er hat sich meine Tagebücher angeschaut, sich meine Herangehensweisen angehört ("6 IE plus 0,5 IE pro BE, ist ganz logisch - nur eben anders als der Normal-Diabetiker."
) und ist auf die von mir identifizierten offenen Fragen in meiner Therapie eingegangen. Im Prinzip hat er dann einfach den "Reset"-Knopf gedrückt: "Wiegen Sie ihr Essen sicherheitshalber ab und identifizieren Sie BE-Faktoren anstelle ihrer obskuren Formel." "Machen Sie mal wieder einen Basalratentest." "Machen Sie mehrere postprandiale Messungen, um einen SEA zu identifizieren". "Kontrollieren Sie mal 4-6h nach dem Essen, um FPE-Auswirkungen zu erkennen."
Und siehe, ich konnte eine Menge Sachen aus dem "regulären" Diabetes-1x1 finden, die meine Therapie erleichtern. Meine bizarre BE-Berechnungsformel wurde durch normale BE-Faktoren ersetzt. Die Hypos, die ich oft 3h nach dem Essen hatte, konnte ich durch einen SEA reduzieren. Hohe Werte 5h nach dem Essen konnte ich auf FPE-Konsum zurückführen usw.
Was ich also sagen will: Ja sicher, die Diabetestherapie ist eine seeehr individuelle Geschichte. Ich habe bspw. immer noch ein ziemlich wildes Basal-Bolus-Verhältnis und meine BE-Faktoren sind für große BE-Mengen (9 und mehr BE) nicht mehr linear anwendbar. Aaaber so eine Rückbesinnung auf die allgemein gültigen Regeln ist manchmal gar nicht so schlecht. Die Diabetologen kennen eben zig verschiedene Therapieverläufe und Einstellungen. Daraus haben sie ein, ich nenne es mal "Schnittmengenbild" der individuellen Verläufe. Und daraus werden eben "allgemeine" Herangehensweise, die zumeist nur noch in Bezug auf ein paar Feinheiten angepasst werden müssen. Mir hat so ein Hervorrufen der "normalen" Diabetes-Regeln durchaus etwas gebracht.
[Ironie an] Jetzt kann ich wieder ein paar Jahre individualisieren und Chaos in meine Therapie bringen, weil ich ja "sooo anders bin als alle anderen" und die allgemeinen Ratschläge ignorieren. Und dann falle ich halt wieder (schleichend) auf die Nase, so dass ich mich dann eben wieder zurückbesinne und meine Einstellung wieder "zurücksetze". [Ironie aus]
Es grüßt
Reset-Button-Hobbit