Hallo Robert,
die Insulinpumpe habe ich erst seit 2006. Ich habe mich wie viele früher immer heftigst dagegen gewehrt, von so einem technischen Gerät abhängig zu sein... Aber es ging einfach nicht mehr anders. xmal am Tag messen und 8-10mal spritzen, um die Werte einigermaßen im Lot zu halten, waren dann letztlich ein viel zu hoher Aufwand. Aus heutiger Sicht sage ich, na gut, 10 Jahre früher hätten es sein können.... Aber es stimmt, das Legen der Katheternadeln ist nicht ohne und spritzen war irgendwie einfacher (allerdings erst ab dem Pen, die früheren Glaskolbenmonster meinte ich damit nicht). Aber man gewöhnt sich an den Kram, geht ja nicht anders.
Für Kinder, auch wenn sie klein sind, ist eine Pumpentherapie von Anfang an wohl die optimale Behandlung, da das natürliche Verhalten der Bauchspeicheldrüse damit am Besten nachgeahmt werden kann. Für mich das Hauptargument ist aber, daß man da von Anfang an auf die langwirkenden Insuline und ihre Nebenwirkungen verzichten kann, das hat Vorteile!
Mit dem Essen, da fällt mir ein Trick ein. Zum ersten: da es ja keine "Diabetesdiät" mehr gibt, essen ja sowieso alle das gleiche, oder? Wenn er regelmäßig hinterher bei Euch nascht, dann rechne das einfach in seinen Kostplan ein und es gibt keine Probleme. Außerdem macht es ja nix, wenn er mehr ißt, als du vorher gedacht hast. Du guckst einfach, was er macht, schätzt das "mehr" ab und drückst die Einheiten nach, das ist doch mit der Pumpe net schwer. Genau das ist es ja auch, was die Therapie so natürlich macht. Die Zwänge wie noch in meiner Anfangszeit gibts ja nicht mehr.
Das mit den Folgeschäden wird gern auch heute noch von Ärzten als Damoklesschwert hingehängt, um den Ernst der Therapie klarzumachen. Tja, was soll ich sagen, was nicht Jörg schon gesagt hat?
Mal wieder meine "unwissenschaftliche" persönliche Meinung:
das richtige Maß von Disziplin und Lebenslust ist wichtiger als alle ärztlichen Vorschriften. Darum habe ich ja auch so betont, daß Ihr euch ganz schnell eine Routine erarbeiten müßt. Noch ist Raoul klein genug, daß ihr dafür Zeit habt. Wenn er so 5 oder 6 ist und alles für ihn normal ist, wird ihm das helfen. Also daß er weiß, was und wieviel er essen will und wieviel Insulin das entspricht, der selbstverständliche Griff zum Meßgerät, das richtige Reagieren in Fällen, wo es mal nicht so optimal läuft. Daß er euch alles fragen kann und ihr die richtigen Antworten habt, ohne jedes Mal in Panik zu verfallen...
Daß er Bescheid weiß und souverän mit sich, seinen Hilfsmitteln und der Krankheit umgehen lernt, ist ja eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme in Kindereinrichtungen und die Schule, das muß man gut vorbereiten.
Was ich auch noch wichtig finde: so früh wie möglich sollte Raoul Kontakt mit Gleichgesinnten haben. Es gibt heute einige Träger, die Diabetescamps für Kids und Jugendliche organisieren (ist ja noch bissel hin, aber so ne Idee)
Vielleicht solltest du dich wirklich eher mit betroffenen Kindern unterhalten... Eltern neigen leider sehr oft zur Überfürsorge und haben vor Sachen Angst, die für Kinder völlig easy sind.
Eine kleine Anekdote vielleicht dazu.
Als ich Diabetes bekam, war ich 14, das ist jetzt fast 38 Jahre her. Meine Eltern waren mit im Krankenhaus, in der damaligen Kinderklinik für Diabetiker auf der Insel Rügen. Meine Mutter sollte das Spritzen lernen.
Wißt ihr, wer sich als Lehrmeister betätigte? Ein kleines Mädchen namens Manuela, sie war 5 Jahre alt! Sie hat meine Mutter beruhigt, die ängstlich mit der Spritze vor ihr saß... nahm die Spritze und verpaßte sie sich seelenruhig... Habe selten meine Mutter stumm mit offenem Mund gesehen

Also wenn weiter Fragen sind, löcher mich ruhig. Ich bin damals jedes Jahr in der Klinik gewesen und habe viele Kinder kennengelernt. Das sind für mich aus heutiger Sicht die besten Erfahrungen gewesen. Man lernt, daß man nicht allein ist und kann sich mit gleichgesinnten über Probleme unterhalten, die sonst kein Außenstehender versteht... schon gar nicht die eigenen Eltern

Gruß
Ulrike