Autor Thema: Diabetes-Outing  (Gelesen 35400 mal)

Offline SabineS

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Diabetes-Outing
« am: November 04, 2010, 22:51 »
Hallo,

ich bin total glücklich. Weil: Heute habe ich am Arbeitsplatz meinen Diabetes geoutet und habe nur und ausserordentlich nette Rückmeldungen bekommen.
Vor drei Wochen habe ich wegen einer Fusion meinen Arbeitsplatz gewechselt. Mir hat es in diesen drei Wochen keinen Spass gemacht, heimlich zu bolen, heimlich TZ zu essen und heimlich BZ zu messen. Und heute habe ich mit Absprache von oben an meine Abteilung eine eMail versendet mit einer kurzen Erklärung zur Krankheit und einer Anweisung, was in einem evtl. Notfall zu tun ist.
Und dann kamen glatt nur positive Reaktionen. Einfach ein ganz normales nettes Interesse, ohne Mitleid, ohne Drama, ohne schlaue Tipps, ohne "meine Oma hat das auch". Es war einfach nur sowas von angenehm...
Wie habt oder hättet Ihr sowas gemacht?

Viele Grüße
Sabine

Offline Ufuk

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #1 am: November 04, 2010, 23:44 »
Bei mir, Wissen es nur paar Leut(die Okay) sind.
Ich kanns mir leider nicht erlauben, sonst gibts andere Kollege(Leihfirma)
Grund gibts immer für die Leute.
Erfinderisch werden die aufeinmal.  :boese:

Irgend wann fliegt bei mir dann das Schalter auch runter, deshalb bleibt es so.
Ich kanns mir nicht mehr erlauben mit ARGE zu Kämpfen über Mobbing und Diabetes Typ1.
Letztes Jahr hieß es (Fressen sie halt weniger und es geht schon weg)
Habe 4,5 Monate kein Geld bekommen, mein Vermieterin ist Gott Sei Dank ein Gottesfürchtige Mensch und hat das ganze mitgemacht.
Erst hin und her Mails von Seelenklempnern und und und ......................
bekam ich alles auf ein Schlag, es musste irgendwie über Seelenklempner eskalieren.
Nur wer so was mal mitgemacht hat kann mich verstehen.

Des wegen verheimliche ich es lieber und lebe so weiter.
(click to show/hide)

Ihr Schiff ist nun Gesunken hiess es Damals, Fliegens halt weg zur ihre Stammheimat,wir haben hier genug Ossis, sagte sie zu mir. :mauer:

Ich werde diese Monate nie im meinem Leben vergessen.
Wennst frech bist Schmeissens dich raus, die haben Securitys eingestellt.

Na ja.

Ich muss leider verheimlichen, schade.

Grüßle

Ufuk

Mari

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #2 am: November 05, 2010, 01:00 »
Ich bin noch in der Ausbildung. Bei der Bewerbung damals habe ich nichts erwähnt, dachte vielleicht wollen sie mich dann nicht. Nachdem ich angefangen habe gings auch ganz gut, ein halbes Jahr jedoch nur...Dann landete ich wegen Ketoazidose im KH und war ne Woche nicht da, und dann kams halt raus, weil Chefin wissen wollte was es war und der anderen Chefin (bin an zwei Ausbildungsstätten) hatte ich es erzählt, weil sie irgendwann mal davon anfing mit ihrem Sohn, dass er das hat und so und da habe ich einfach erzählt. Jedenfalls Chefin 2. wusste Bescheid und hat dann natürlich auch Chefin 1. erzählt, dass ich Diabetes habe und dann hab ich halt noch mit der Sprache rausgerückt und joa aber alles positiv, keine Meckerei wegen verschwiegen und so sondern nur Neugier und freundliches Interesse. Bin froh, dass es raus gekommen ist, muss ich nicht mehr verstecken. :heilig:

Offline Yvonne

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #3 am: November 05, 2010, 08:46 »
Mein AG weiß es seit dem Vorstellungsgespräch... Wollte es erst nicht sagen, wurde am Ende aber explizit auf einen Schwerbinderten-Ausweis angesprochen... Da hab ich es halt gesagt und jetzt lauf ich als "Quotenbehinderter" durch die Firma... Ach ja ich arbeite in der Pflege an der TU... Für die kollegen da überhaupt kein Problem... und die Doc´s fragen mich bei Problemen.... Weil sie halt den Altag nicht kennen.... Und die Patienten sind auch froh, daß ne Schwester daist, ddie das Problem auch aus dem Alltag her kennt*gg*
Geht nicht gibt´s nicht

Offline blondine

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #4 am: November 05, 2010, 08:49 »
Ich mache kein Geheimnis daraus, spritz auch in aller Öffentlichkeit, wer es nicht sehen will, muß halt wegschauen.
Beuge Dich freundlich dem Rat der Jahre
und gib mit Anmut Dinge aus der Hand,
die der Jugend vorbehalten sind (unbekannt)


Offline Llarian

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #5 am: November 05, 2010, 21:44 »
Ich finde dies ganze Getue irgendwie immer affig. Diabetes gehört nun mal dazu und ist ein Charakteristikum von mir... so, wie ich lieber Thunfisch-Pizza esse als Pizza Hawai.  Verheimliche ich meinen Diabetes, geh aufs Klo zum Spritzen und fummel immer irgendwo mit dem ich-hab-was-ausgefresssen-Blick herum, habe ich erst recht ein Problem. Kommt die Sache irgendwann raus (OH SCHRECK), fühlt sich jeder angepißt und sieht das Vertrauensverhältnis getrübt. Habe ich ein Problem mit einem Unterzucker, kann mir ein Kollege helfen, der über den DM bescheid weiß. Jemand, der es nicht weiß, hat da wenig Chancen. Andererseits stelle ich mich auch nicht mit Megaphon in die Mitte der Betriebsversammlung, um nun zu verkünden, daß ich besagte Thunfisch Pizza lieber esse. Das wäre vielleicht angemessen, wenn ich beim bloßen Anblick der Hawai-Pizza Hautausschlag kriegen würde... is aber nicht so.

Grüße
Anja

Offline Richard Wagner

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #6 am: November 06, 2010, 12:43 »
Hallo,

ich bin total glücklich. Weil: Heute habe ich am Arbeitsplatz meinen Diabetes geoutet und habe nur und ausserordentlich nette Rückmeldungen bekommen.
Vor drei Wochen habe ich wegen einer Fusion meinen Arbeitsplatz gewechselt. Mir hat es in diesen drei Wochen keinen Spass gemacht, heimlich zu bolen, heimlich TZ zu essen und heimlich BZ zu messen. Und heute habe ich mit Absprache von oben an meine Abteilung eine eMail versendet mit einer kurzen Erklärung zur Krankheit und einer Anweisung, was in einem evtl. Notfall zu tun ist.
Und dann kamen glatt nur positive Reaktionen. Einfach ein ganz normales nettes Interesse, ohne Mitleid, ohne Drama, ohne schlaue Tipps, ohne "meine Oma hat das auch". Es war einfach nur sowas von angenehm...
Wie habt oder hättet Ihr sowas gemacht?

Viele Grüße
Sabine

Na, geht doch. :-)

Ich freue mich mit für Dich. Ich seit ~42 Jahren Typ 1 habe niemals meinen Diabetes verheimlicht und das auch nie bereut. OK eine Bewerbung ist wegen Schwerbehinderung geplatzt. Letztendlich wird Mensch nicht nach seiner Erkrankung beurteilt sondern nach seinen Sozialen und Beruflichen Leistungen. Ein Arbeitnehmer der in seinem Job etwas kann, aber permanent Unfriede stiftet ist genau so kontraproduktiv wie ein super lieber aber unfähiger Mitarbeiter. Das weiß heute auch jeder Geschäftsführer. :-)

Außerdem, was wenn wirklich eine schwere Hypo auftritt und kein Mensch weiß was zu tun ist? Im günstigstem Fall bekommt der Angestellte ein "das hätten Sie aber sagen sollen", im ungünstigsten Fall " Es ist uns zu gefährlich Sie weiter zu beschäftigen" und das auch mit Recht.

Gruß Richard

Offline Richard Wagner

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #7 am: November 06, 2010, 12:58 »
Ich finde dies ganze Getue irgendwie immer affig.

Das erinnert mich gerade an ein 2 Personen DM Treffen in der Oldenburger Innenstadt. :-)

Mitten zwischen rund 50 Personen im Freiluft Kaffee so "genial normal" den Bolus setzen das es keinem auffällt. :-) Du bist halt ne Profifixerin :baeh:

Liebe Grüße Richard

Offline SabineS

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #8 am: November 06, 2010, 15:57 »
Ich finde dies ganze Getue irgendwie immer affig. Diabetes gehört nun mal dazu und ist ein Charakteristikum von mir... so, wie ich lieber Thunfisch-Pizza esse als Pizza Hawai.

Nein, als affig möchte ich das nicht bezeichen. Ich kenne genügend Diabetiker, die aufgrund Ihrer Krankheit oder aufgrund Ihres Schwerbehindertenausweises Probleme am Arbeitsplatz haben/hatten. Zum Glück ist das heute bei Weitem nicht mehr so schlimm als noch vor 20 Jahren. Bei mir z.B. war vor 20 Jahren der Ausbildungsplatz in Gefahr, weil mein damaliger Chef schon so schlechte Erfahrungen mit "solchen Sachen" hatte.

Diabetes ist auch ein Teil von mir, dazu stehe ich. Aber ich bestehe nicht nur aus Diabetes. Und wenn ich nun vor drei Wochen bei Arbeitsantritt gleich alles öffentlich gemacht hätte, dann wäre der Diabetes Hauptbestandteil von mir gewesen. Da erkläre ich dann dem ersten Kollegen, warum ich BZ messe. Dann erkläre ich dem zweiten Kollegen, warum ich Traubenzucker esse. Dann erkläre ich dem dritten Kollegen was eine Insulinpumpe ist, dann dem vierten warum ich BZ messe, dann wieder dem ersten, warum ich jetzt auch noch Traubenzucker brauche. Dann kommt noch der fünfte und sechste und siebte und gefühlte tausendste neue Kollege und schon ist man nur noch am erklären. Nö.. also da hatte ich als Neuling in einem grossen Haus echt andere Sachen zu bewältigen. Mir war es schon wichtig, dass erst mal alle die Sabine kennenlernen und nicht die Diabetikerin.

Offline Llarian

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Re: Diabetes-Outing
« Antwort #9 am: November 06, 2010, 17:56 »
Bei mir z.B. war vor 20 Jahren der Ausbildungsplatz in Gefahr
Na ja Gott ;)
Vor 30 Jahren bin ich auch noch zum Spritzen auf schmierige Bahnhofstoiletten gegangen, damit das bloß keiner mitbekommt. Vor 30 Jahren herrschte auch noch betretenes Schweigen, wenn bekannt wure, daß das arme Kind an einer schweren insulinpflichtigen Zuckerkrankheit leidet. "Ja, meine Oma ist auch an DM gestorben, die hatte das aber nicht so schlimm wie die kleine, die brauchte kein Insulin."
Es verbreitet sich Gottseidank etwas medizinisches Halbwissen in der Bevölkerung... auch, wenn es einige Leute konsequent zu ignorieren scheint.

Zitat
dass erst mal alle die Sabine kennenlernen und nicht die Diabetikerin.
Schön gesagt und absolut richtig.

Trotzdem nervt es mich, mir über dieses Thema Gedanken machen zu müssen.

Die Sache mit dem Schwerbehindertenausweis ist so ein Ding für sich. Wer sich amtlich bescheinigen läßt, daß er gegenüber anderen eingeschränkt und in seiner (Erwerbs-)Befähigung gemindert ist, der muß auch damit rechnen, daß ihn andere behandeln und es auch für sich als Konsequenz einkalkulieren, daß diese Person gemindert ist. Integration hin oder her, da steht dann schwarz auf weiß mit Stempel und Unterschrift, daß die Person gegenüber anderen eine Minderung hat. Wie soll denn das Gegenüber darauf reagieren? Wenn ich mir bescheinigen lasse, daß ich 200 Meter in 10 Sekunden laufen kann, dann gehen alle davon aus, daß ich wohl ein schneller Läufer bin. Wovon sollen sie denn wohl ausgehen, wenn ich mir eine Minderung bescheinigen lasse?

Grüße
Anja