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Diabetesfragen => Der Erklärbär - Ich will's wissen => Thema gestartet von: Number6 am August 02, 2007, 10:08

Titel: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Number6 am August 02, 2007, 10:08
Hallo Erklärbär,

soweit ich weiß, bedingt ein Abbau von Körperfett die Lipolyse. Durch Insulin wird diese gehemmt. Die Lipolyse ist aber natürlich einer der Feinde des Diabetikers, da durch sie die BZ-Werte schlechter werden. Meine Frage ist daher, warum ein Diabetiker trotz guter Werte abnehmen kann?

Danke.
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joerg Moeller am August 02, 2007, 14:17
Das mit der Lipolyse (~Fettauflösung) ist schon richtig, die wird durch Insulin gehemmt. Aber die wird dadurch ja nicht völlig blockiert, denn dann wäre es wirklich unmöglich Körperfett wieder loszuwerden.

Auch beim Diabetiker ist es wie bei Gesunden Menschen: wenn man weniger Energie zu sich nimmt als man eigentlich braucht, dann nimmt man ab. Das ist wie bei einem Auto: wenn ich weniger tanke als ich für eine Strecke brauche, dann ist der Tank leer bevor ich da angekommen bin. Und dann muß ich - um wirklch anzukommen - auf die Reservekanister zurückgreifen.
Das Insulin wirkt da nicht wie ein normaler Verschluß, sondern eher wie ein Schwamm: durch den kommt noch Sprit raus, aber langsamer als wenn der Schwamm nicht im Ausguß festsitzt.
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Number6 am August 02, 2007, 15:21

Das Insulin wirkt da nicht wie ein normaler Verschluß, sondern eher wie ein Schwamm: durch den kommt noch Sprit raus, aber langsamer als wenn der Schwamm nicht im Ausguß festsitzt.


Kannst Du die Schwamm-Metapher noch etwas näher erklären? Bedeutet langsamer, daß genauso viel Körperfett gelöst wird, wie beim Nichtdiabetiker, aber eben über einen längeren Zeitraum, oder aber, daß in der Summe weniger Fett gelöst wird und der Abbau deshalb langsamer vorangeht?
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joerg Moeller am August 03, 2007, 10:56
Sorry, aber hier verstehe ich den Unterschied nicht so ganz. :kratz:
Es geht langsamer, weil der Motor "Lipolyse" nicht so schnell laufen kann, solange das Insulin auf der Bremse steht.

Wenn man es noch genauer wissen will, dann müßten wir uns schon in den Bereich der Biochemie vortasten: http://ntbiouser.unibe.ch/Trachsel/teaching/Hormone/Hormone.htm
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joa am August 22, 2007, 21:39

Kannst Du die Schwamm-Metapher noch etwas näher erklären? Bedeutet langsamer, daß genauso viel Körperfett gelöst wird, wie beim Nichtdiabetiker, aber eben über einen längeren Zeitraum, oder aber, daß in der Summe weniger Fett gelöst wird und der Abbau deshalb langsamer vorangeht?


Das ist halt die Sache mit dem Feintuning.  :zwinker:
Wie schon gesagt, Fett wird verbrannt, wenn der Energieverbrauch größer ist als die Energiezufuhr.
Entsprechend musst Du natürlich auch Deine Insulindosis flach halten, sonst putzen die Zellen die Glucose weg und Du landest in der Hypo.
Der Nichtdiabetiker produziert seinen basalen Insulinbedarf im automatischen Regelkreislauf, der Diabetiker muss sich rantasten.

Das meint, es geht darum soviel Insulin basal zu sichern, dass die Lipolyse nicht ungebremst losbrettern kann, das wäre dann eine überschießende Lipolyse, aber so wenig Insulin, dass die Muskelzellen nicht die auch noch vorhandene Glucose unter Last übermäßig wegsaugen.

Also, wenn Du Dich verstärkt bewegst und dafür keine oder nur wenige Ausgleichs-KH benötigst, liegst Du wahrscheinlich sehr gut im Bereich einer "normalen" und gesunden Fettverbrennung, entsprechend dem Nichtdiabetiker.

Gruß
Joa
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joerg Moeller am August 31, 2007, 03:50
Könntest du das auch mit einfacheren Worten erklären? Wir sind hier im Erklärbärboard...
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: klausing am August 31, 2007, 07:52
Ich versuch mich mal mit einfachen Worten und einer Flasche Wasser die Du trinkst wenn Du Durst hast.
Du hast eine Flasche mit einem Liter Wasser. Das Wasser stellt Dein Fett dar. Nun isst Du weniger als Dein Körper braucht. Dein Körper braucht irgendwoher die zusätzliche Energie welche er aus der Nahrung nicht bekommen hat.
In diesem Fall würde es  der Körper wie beim Durst machen. Du drehst die Flasche auf und das Wasser läuft beim trinken ganz normal raus. Auf Deinen Körper bezogen würde dies heißen, der Körper holt sich das Fett um es als Energieträger zu nutzen. Dabei gibt es kein Hindernis.

Nun kommt das Insulin ins Spiel.

Du nimmst ein kleines Schwämmchen und steckst es oben in die Wasserflasche. Das verdeutlicht ungefähr die Wirkung des Insulins. Drehst Du diese Flasche auf den Kopf um zu trinken kommt das Wasser nur noch sehr langsam durch den Schwamm und Du kannst nicht so schnell trinken wie Du gern möchtest.
Genauso geht es Deinem Körper.
Das Insulin hindert ihn daran ungehemmt ans Fett ran zu kommen. Es kann also nicht mit der Geschwindigkeit zur Energiegewinnung genutzt werden wie es der Körper gern möchte. Da steckt ja der Schwamm (das Insulin) davor. Daher wird Fett nur sehr langsam abgebaut.

Ein Nebeneffekt ist, dass durch diese Reaktion ein Diabetiker eben in eine Hypo kommen kann wenn er dem Körper nicht wenigstens so viel KH zu führt dass der Blutzuckerspiegel auf einem ungefährlichen Level bleibt. Er verbrennt eben alles was er an KH im Blut vorfindet und kann seinen Energieverbrauch eben nicht schnell genug durch den Nachschlag aus den Fettzellen decken. Daher kann der BZ entsprechend gefährlich tief sinken.

Als Ergebnis nimmt ein Diabetiker eben wesentlich langsamer ab.
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: dingo1 am September 01, 2007, 01:37
hi:)

> Könntest du das auch mit einfacheren Worten erklären? Wir sind hier im Erklärbärboard...

ich bin zwar nicht JOA, aber platt gesagt:

Nüchternzucker irgendwo zwischen 70 und 120 mg/dl (möglichst nicht dauernd bei 70;)

> Das Insulin hindert ihn daran ungehemmt ans Fett ran zu kommen. Es kann also nicht mit der Geschwindigkeit zur Energiegewinnung genutzt
> werden wie es der Körper gern möchte. Da steckt ja der Schwamm (das Insulin) davor. Daher wird Fett nur sehr langsam abgebaut.

Jein...Ist der Insulinspiegel zu hoch und man bewegt sich, kommt die Hypo sehr schnell.

> Ein Nebeneffekt ist, dass durch diese Reaktion ein Diabetiker eben in eine Hypo kommen kann wenn er dem Körper nicht wenigstens so viel
> KH zu führt dass der Blutzuckerspiegel auf einem ungefährlichen Level bleibt.

hm, es scheint wohl klüger, dass man vorher die Insulinmenge anpasst, oder?

> Als Ergebnis nimmt ein Diabetiker eben wesentlich langsamer ab.

Jein. Wenn man Insulin nicht dem Bedarf anpasst...sondern den Bedarf der KH dem Insulin, richtig. Dann hat man aber einiges nicht
verstanden.

Es geht (imho) lediglich darum, dass man vorher weiss, was man macht. Einen fetten Dessert
könnte ich durchaus mit Bewegung direkt nach dem Essen (unter Inkaufnahme einer temporären
Blutzuckerspitze) mit vormals gültigem und gegebenen Bolus in Schach halten. Die Spitze deshalb,
weil niemand direkt nach einem 3-Gang-Menue auch nur sofort aufsteht und auch nur annähernd spazieren geht.
Nach 2 Stunden ist der Kram hingegen gegessen;)

mfG
dingo1
ps: zu oder abgenommen wird hier auf diesem Planeten seit jeher wie Jörg anmerkte. Thermodynamik. Sind eigentlich
nur zwei Sätze, gelten weltweit...derzeit labern alle drumherum;)
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joa am September 02, 2007, 14:38

Könntest du das auch mit einfacheren Worten erklären?


 :kratz: Also, eigentlich fand ich das einfach.  :kratz: :kratz:

Aber ich versuche es gerne nochmal.

Um Körperfett abzuspecken müssen die Zellen mehr Energie verbrennen, als sie über
Glukose zuführen können.

Dafür wird das Körperfett zerlegt (=Liposlyse) und den Zellen als Energieträger verfügbar gemacht.

Die Zerlegung erledigen Enzyme, die Lipasen genannt werden.
Insulin hemmt die Lipasen an der Zerlegung der komplexen Fettsäureketten zu danach freien Fettsäuren, unterbindet sie aber nicht völlig.
Viel Insulin hemmt viel, wenig Insulin hemmt weniger.

Um abzunehmen ist daher das Konzept möglichst wenig Insulin bei möglichst viel Energieverbrauch
zuzuführen. Weil:

1) Viel Insulin = viele Insulinrezeptoren werden besetzt und es kann viel Glukose in die Zellen eingeschleust werden.
    Steigt noch die Bewegung dazu, wird noch mehr Glukose verbraucht und es gibt einen Unterzucker.
    Zwangsläufige Folge: Hypo BE's. Also eher ein Rezept zum Zunehmen.  :moser:

2) Viel Insulin = wenig Lipolyse, weil die Lipasen stark gehemmt werden, ihr Werk zu tun.
    Es kann somit nicht ausreichend die gewünschte Menge an Fettsäureketten aufgespalten werden, um in den Muskelzellen nachgehend verbrannt zu werden.
    Folge: Energiemangel, und in Verbindung mit 1) immer noch der Unterzucker.

Wichtig ist allerdings, dass immer noch soviel Insulin im Stoffwechsel verfügbar ist, um die Lipasen daran zu hindern, alle erreichbaren Fettsäureketten zu zerlegen. Das führte dann nämlich zu einer deutlichen Übersäuerung und in der Folge zu einer Hemmung der verbleibenden Insulinwirkung selber, was die Lipolyse ihrerseits weitergehend begünstigen täte. Beim Typ 1, ohne eigene Insulinproduktion, ist das eine Spirale in die Stoffwechselentgleisung.
Beim Typ 2 mit eigener Insulin(rest)produktion kann die dann eingetretene verstärkte, oder überschießende Lipolyse, in Mergentheim kurz "die Lipolyse" genannt, auf erhöhtem Niveau lange stabil bleiben, also nicht in die Keto(azid)se rutschen.

Den eigenen Insulinbedarf, mit dem das Abnehmen gut funktioniert, aber die Lipolyse gesteuert bleibt, muss jeder für sich selber austesten.
Wenn nach dem Bewegungsprogramm die Insulinwirkung unverändert bleibt, oder nur eine kurze Dosiserhöhung zur Korrektur erforderlich ist, hat alles bestens geklappt. Kleine Schwankungen nach dem Bewegungstraining, in alle Richtungen sind erlaubt, müssen aber auch individuell ausgetestet werden.

So, ich hoffe ich konnte das ein wenig deutlicher machen?  :kratz:

Gruß
Joa
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joerg Moeller am September 02, 2007, 20:51

So, ich hoffe ich konnte das ein wenig deutlicher machen?  :kratz:


Aber Hallo! Toll hast du das hingekriegt :super:
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Hexe am September 02, 2007, 22:08
Hallo Joa,

da schliesse ich mich mal Babsi an, jedenfalls habe ich das jetztverstanden hoffe ich,

heisst dann in meinem Fall,---> nach dem Bwegungsprogramm geht mein BZ grundsätzlich hoch aber die Insulinwirkung ist die gleich wie vorher, wenn ich Korrektur spritze<-----
 dass zuviel Glycose aus der Fettspaltung in meinem Blut schwimmt, was von den Zellen vielleicht auf Grund von Resistenz ( vermute ich jetzt einfach mal) nicht aufgenommen werden konnte?

liebe Grüsse Vera
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: klausing am September 03, 2007, 08:23
Irgendwie kann ich kaum glauben, dass Joa diesen Beitrag geschrieben hat ... :nein: Der ist ja so einfach zu lesen  :zwinker: :super:
Titel: Re: Warum kann ein Typ1-Diabetiker Körperfett abnehmen?
Beitrag von: Joa am September 03, 2007, 23:10
Hallo Vera,

und erst mal einen Dank für die freundliche Anerkennung meines, anscheinend geglückten  ;D
Vereinfachungsversuches. (Auch ein blindest Huhn findet manchmal ein ... *gg*)


heisst dann in meinem Fall,---> nach dem Bwegungsprogramm geht mein BZ grundsätzlich hoch aber die Insulinwirkung ist die gleich wie vorher, wenn ich Korrektur spritze<-----


Dann sollte das grundsätzlich vermutlich in Ordnung sein.

Zitat

dass zuviel Glycose aus der Fettspaltung in meinem Blut schwimmt, was von den Zellen vielleicht auf Grund von Resistenz ( vermute ich jetzt einfach mal) nicht aufgenommen werden konnte?


Die Fettaufspaltung führt meines Wissens nach nicht zu Glukosefreisetzungen. Dafür ist eher ein niedriger Insulinspiegel verantwortlich, der ja auch erwünscht ist. Bei wenig Insulinwirkung buttern die Leberzellen z.B. mehr Glukose raus, während die Muskelzellen davon nur einen relativ geringen Teil verwerten können.

Wenn dann aber Deine nachgehende Insulinkorrektur im normalen Rahmen wirksam ist, sollte alles in bester Ordnung geblieben sein.
Dann gäbe es wohl auch keine Resistenz.

Beim Typ 2 ist da auch noch zu berücksichtigen, dass einige Stoffwechselverläufe unter Last eigenständig die Insulinfreisetzung der BSD zusätzlich  einschränken können.

Solange der Blutzucker hinterher mit einer relativ normalen Korrektur wieder in sein gewünschtes Lot kommt ist alles auf alle Fälle sehr ok.

Viele Grüße
Joa