Autor Thema: Märchen von der traurigen Traurigkeit  (Gelesen 1691 mal)

Offline Moni1974

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Märchen von der traurigen Traurigkeit
« am: Mai 30, 2010, 19:49 »
Es war einmal eine kleine ,alte Frau,die einen staubigen Feldweg entlanglief.Sie war offenbar schon sehr alt,doch Ihr Gang war leicht
und Ihr Lächeln hatte den unbekümmerten Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Bei einer zusammengekauerten Gestalt,die am Wegesrand saß,blieb sie stehen und sah hinunter.
Das Wesen,das im Staub des Weges saß,schien fast körperlos.Es erinnerte an eine graue Decke mit menschlichen Konturen.

Die kleine Frau beugte sich zu der Gestalt hinunter und fragte:"Wer bist Du?"
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf."Ich? Ich bin die Traurigkeit",flüsterte die Stimme stockend und leise,dass sie kaum zu hören war.
"Ach,die Traurigkeit!"rief die kleine Frau erfreut aus,als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
"du kennst mich?" fragte die Traurigkeit mißtrauisch.
"Natürlich kenne ich Dich!Du hast mich immer ein Stück meines Weges begleitet."
"Ja,aber..."argwöhnte die Traurigkeit," warum fürchtest Du Dich nicht vor mir?hast du denn keine Angst?"
"Warum soll ich vor dier davonlaufen,meine Liebe? Du weißt doch selbst zu gut,dass du jeden Flüchtigen einholst! Aber,wenn ich dich fragen darf-warum siehst Du so mutlos aus?"
"Ich...bin traurig,"sagte die graue Gestalt.
Die kleine Frau setzte sich zu ihr."Traurig bist Du also," sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf."Erzähl mir doch,was Dich so bedrückt."
Die Traurigkeit seufzte tief.
"Ach weißt Du",begann sie zögernd und auch verwundert darüber,dass Ihr tatsächlich Jemand zuhören wollte,"es ist so,dass mich einfach niemand mag.Es ist nun mal meine Bestimmung,unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse zeit mit ihnen zu verweilen.Aber wenn ich zu Ihnen komme ,schrecken sie zurück.sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie diePest."

Die Traurigkeit schluckte schwer.
"sie haben Sätze gefunden,mit denen sie mich bannen wollen.Sie sagen:Papperlapapp,das Leben ist heiter.ùnd ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot.Sie sagen"Gelobt sei,was hart macht!Und dann bekommen sie Herzschmerzen.Sie sagen:Man muß sich nur zusammenreißen.ùnd sie Spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken.Sie sagen:Nur Schwächlinge weinen.ùnd die aufgestauten Tränen sprengen fast Ihre Köpfe.Oder aber sie betäuben sich mit Drogen und Alkohol,damit sie mich nicht fühlen müssen."

"Oh ja",bestätigte die alte Frau,"solche Menschen sind mir auch schon oft begegnet..."

Die Traurigkeit sank noch mehr in sich zusammen.

"und dabei will ich den Menschen doch nur helfen.Wenn ich ganz nah bei Ihnen bin,können sie sich selbst begegnen.Ich helfe ihnen ,ein Nest zu bauen,um Ihre wunden zu pflegen.Wer traurig ist,hat eine besonders dünne Haut.Manches Leid bricht wieder auf,wie eine schlecht verheilte Wunde und das tut sehr weh.Aber nur,wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint,kann seine Wunden wirklich heilen.Doch die Menschen wollen garnicht,dass ich Ihnen dabei helfe.Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über Ihre Narben.Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."

Die Traurigkeit schwieg.Ihr Weinen war erst schwach,dann stärker und schließlich ganz verzweifelt.Die kleine alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in Ihre Arme.Wie weich und sanft sie sich anfühlt ,dacht sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.

"Weine nur Traurigkeit",flüsterte sie liebevoll,"ruh dich aus,damit Du wieder Kraft sammeln kannst.Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern.Ich werde Dich begleiten,damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt."
Die Traurigkeit hörte auf zu weinen.Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt Ihre neue Gefährtin:"Aber...,aber wer bist Du eigentlich?"
"Ich?"sagte die kleine ,alte Frau schmunzend.

"Ich bin die Hoffnung"

Liebe Grüße Moni
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