Autor Thema: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie  (Gelesen 11784 mal)

Offline Rob

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Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« am: Mai 09, 2010, 21:30 »
Ich hatte gestern das 1. Mal in genau 6 Jahren Diabetes Typ1, einen Vorfall, dass mich Diabetes außer Gefecht gesetzt hat:
- ich bin wohl auf der Straße getorkelt und in einem Krampf zusammengefallen
- war 7 min verkrampft und ohnmächtig - danach von alleine ohne Glycogon aufgewacht, nicht ansprechbar zuerst
- Ambulanz hat 3,3 gemessen
- danach im Krankenhaus war ich ansprechbar, aber hatte kein Kurzzeitgedächtnis und habe alle Fragen nach spätestens 2min noch mal gestellt
- heute morgen fehlen mir die kompletten 2h vor und 4h nach dem Vorfall im Gedächtnis
- die Ärztin meinte, sie musste mir 650ml 5% Glucoselösung geben um den BZ anzuheben, heute morgen waren es 9 (meine Faktoren: 12g KH <- 1 IE -> 2mmol/L

Mit einer Hypo in 6 Jahren bei HbA1c zwischen 5,3 und 6,9 kann ich leben. Aber irgendwie schleicht sich mir der Verdacht auf, dass es vielleicht gar keine Hypo war. Mir ist nichts von Amnesie bekannt, dass 3,3 gefährlich ist, oder man aus der Hypo-Ohnmacht alleine wieder aufwacht.
Normalerweise bin ich sehr sensibel für Werte unter 4-3,5. Beim ersten Halbmarathon bin ich mit 3,3 in's Ziel "gestolpert", mein miesester gemessener Wert bei einer Hypo war 1,9.

Ist das Geschehen mit nur Diabetes begründbar? Meine Internetsuche findet zwar was zu Amnesie, aber nicht speziell wie; 19:00 Uhr 8,8  ->gegessen/gespritzt (wieviel weiß ich leider nicht) ->20:00 Koma -> 20:20 3,3 passt auch nicht so richtig.

Hat einer von Euch auch ähnliche Erfahrungen oder weiß weitergehendes?

Liebe Grüße
Robert
DM1 seit 05.2004, CSII seit 4.1.2011 - Insufat

Offline Joa

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #1 am: Mai 10, 2010, 00:23 »
Hat einer von Euch auch ähnliche Erfahrungen oder weiß weitergehendes?
Hmm, weder hab ich solche Erfahrungen, noch schwarz ich Weitergehendes.

Mir fehlt allerdings hier einiges an Info, um die Hypo auch nur annäherungsweise einzuordnen.
Z.B. der Vorlauf dazu. Insulinwirkung, körperliche Aktivitäten in den letzten 24-48 Stunden, Tagesgesamtdosen an Insulin der letzten 4-14 Tage etc..

Ein hinterher/währenddessen von der Ambulanz gemessener Wert von 3,3 mmol/l sagt absolut nichts zur Verursachung Deiner Brainabschaltung aus. Die kann aufgrund einer cerebralen Glucoselage von 10 mg/dl erfolgt sein.

Und die Menge der Glucosezufuhr spricht von deutlich geleerten Glucosespeichern. Z.B. der Leber und/oder der Muskulatur.

Dass die erst in der schweren Hypo so runter gingen, scheint mir eher unwahrscheinlich. Irgendwo war da wohl schon zuvor der Wurm drin?

Gruß
Joa
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Offline Rob

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #2 am: Mai 10, 2010, 07:53 »
Vielen Dank Joa.
Aber da muss ich wohl passen, da ich z.Zt. kein Tagebuch führe <- dafür besteht ja nun ein Änderungsgrund.

aber ich kann den Tag anhand der Meßwerte rekapitulieren.
07:30 6,7 -> 4 BE Reis mit 4IE
14:00 5,4 -> 5 BE Kuchen -> 5IE
19:00 8,8 -> ?? ??  ich weiß nicht mal dass ich gemessen habe, das hängt schon in meinem Filmriß, aber ich hab wohl ein halbes Baguette gegessen und gespritzt, tippe 2+3
 Es war der Kindergeburtstag meines Sohnes (denkbar ungünstigste Situation für solch einen Black-Out), also rüber zum Sportplatz und kurz mit gebolzt, sicher nichts anstrengendes.
20:00 black out auf dem Rückweg

Ich bin am vor einem Monat einen Halbmarathon gerannt und habe entsprechend 60-80km/pro Woche trainiert - in der Phase hätte ich voll zugestimmt. Aber ich bin zur Zeit eher faul und laufe nur am Wochenende, dieses lief ich aber gar nicht, so dass ich mir nicht vorstellen kann, dass meine Speicher leer waren - zumindest habe ich sie nicht wissentlich durch sportliche Aktivitäten geleert.

Die Moral von der Geschichte ist wohl eher, Tagebuch trotz gute Langzeitwerte immer weiterzuführen, sonst fehlt das Basismaterial zur Fehlersuche im Falle des Gau.
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Offline Joa

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #3 am: Mai 10, 2010, 08:19 »
Die Moral von der Geschichte ist wohl eher, Tagebuch trotz gute Langzeitwerte immer weiterzuführen, sonst fehlt das Basismaterial zur Fehlersuche im Falle des Gau.
So ein Bisschen Material steckt ja schon mal drin:

- Wenig BE's für einen ganzen Tag.
- Kindergeburtstag. Vermutlich viel "normale" Bewegung". Das Zusammenspiel von Bolus-Basis-Bewegung wird bei so mickriger "Bagatellbelastung" wie Teupe das nennt, gerne unterschätzt.
- Möglicherweise eher eine Tendenz nicht viel zu messen sondern eher an UZ-Symptomen längs zu reagieren?

Wo sich gleich mal die Frage stellt, ob eher an adrenergenen Symptomen oder eher an "nervösen" Symptomen.
Ansonsten, was hast Du für ein Therapieschema am Start?

Wenn ICT, welches Insulin, wann und wieviel?

Gruß
Joa
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Offline diotmari

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #4 am: Mai 10, 2010, 08:36 »
....bei Kindergeburtstag und "bissel" Bolzen im laufenden Bolus mußte ich leicht grinsen... :duck:
(bitte nicht falsch verstehen!) :wech:

Viele Grüße
Dietmar
Mitnichten hat Gott sich schweigend zurückgezogen oder ist gar tot!
Er lacht sich nur schlapp über uns - wenn er nicht gerade kotzen muß.
DF

Offline Rob

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #5 am: Mai 10, 2010, 13:36 »
- Wenig BE's für einen ganzen Tag.
.. ist eher ein ganz normaler Tag bei mir

- Kindergeburtstag. Vermutlich viel "normale" Bewegung". Das Zusammenspiel von Bolus-Basis-Bewegung wird bei so mickriger "Bagatellbelastung" wie Teupe das nennt, gerne unterschätzt.
Zwischen 14-18 Uhr waren wir bowling spielen, das Bolzen war lediglich vielleicht max. 20min was ich aus den Schilderungen höre, nicht zu vergleichen mit meinen anderen körperlichen Anstrengungen beim Sport, wahrscheinlich unterschätze auch ich das wirklich. *Nickt Dietmar zu*

- Möglicherweise eher eine Tendenz nicht viel zu messen sondern eher an UZ-Symptomen längs zu reagieren?
Ja, das mach immer so, erst essen dann messen. In dem Fall weiß ich allerdings nicht mal mehr, dass ich 19 Uhr gegessen habe oder 20 Uhr umgefallen bin, demzufolge leider auch nicht ob bzw. welche Hyposymptome ich hatte

Ansonsten, was hast Du für ein Therapieschema am Start? Wenn ICT, welches Insulin, wann und wieviel?
Bolus: Liprolog durchgängig morgens wie abends 1:1
Basal: Insuman Basal, 20 IE 23:00 Uhr


Gruß
Robert
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Offline Llarian

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #6 am: Mai 10, 2010, 19:42 »
Hallo Rob,

eine leichte Amnesie nach einer schweren Hypo hatte ich auch schon. Allerdings kann ich den Zeitraum nicht genau angeben, weil ich damals in die Hypo hineingeschlafen bin und auch selbst aus ihr wieder herausgekommen. Mir fehlt der konkrete Teil des Abends vorher und ein wenig die Zeit des "wieder durchkommens", was aber auch an dem da sicher noch niedrigen BZ gelegen haben kann.
Eine andere schwerere Hypo hat dazu geführt, daß mir ein Arzt etwas mehr über Neuroglykopenie erzählt hat.
Mal ein paar Gedanken und Fakten, die Du mit Deiner Situation vergleichen kannst:
Das Gehirn ist mit der größte Glukoseverbraucher des Körpers.
Im Glukosemangel ist die Funktionsfähigkiet des Gehirns, vor allem die höheren Funktionen, stark eingeschränkt.
Man spricht auch von "the selfish brain", also dem selbstsüchtigen Gehirn. Heißt: Das Gehirn ist in der Lage, dem restlichen Körper den Glukosehahn abzudrehen, um die eigene Glukoseversorgung möglichst lange aufrecht zu erhalten. und da vor allem die niederen Funktionen wie z.B. Atmung.
Dein BZ sackt also ab, der Körper mobilisiert Glukose aus der Leber, die Muskulatur bekommt weniger Glukose, irgendwann reicht das alles nicht mehr, der Körper schaltet das bewußte Denken aus... Du torkelst, weil keine Bewegungskoordination mehr stattfindet.

Du hast von 7 Minuten verkrampft/ohnmächtig geschrieben und daß Du zuerst nicht ansprechbar warst.
Es waren also Leute um Dich herum, die diese Zeitangaben machen konnten und auch die 'Nichtansprechbarkeit feststellen. Haben die irgendetwas getan, um Dich wach zu bekommen? Auf die Wangen geklatscht, Dich laut angesprochen.... also Reize von außen geliefert?

Grüße
Anja

Offline Rob

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #7 am: Mai 10, 2010, 21:37 »
Es waren also Leute um Dich herum, die diese Zeitangaben machen konnten und auch die 'Nichtansprechbarkeit feststellen. Haben die irgendetwas getan, um Dich wach zu bekommen? Auf die Wangen geklatscht, Dich laut angesprochen.... also Reize von außen geliefert?

So wieder zu Hause.

Ja, es waren meine beiden Kinder und deren Geburtstagsgang völlig verschreckt um mich rum. Laura hat wohl so laut geschrien, dass gleich 2 Männer kamen, die den Notarzt verständigt haben und mich in die stabile Seitenlage gedreht haben - dann hab ich mich wohl entkrampft und ruhiger geatmet.
Glück im Unglück, das ging wohl alles sehr schnell. Auch die SMH war da, bevor mir meine Frau die Glucagon-Dosis verpassen konnte.

Ich hab den ganzen Tag heute viel gelesen und habe alle Symptome auch auf die eine oder andere Art bei hypoglycemic shock / coma usw gefunden, was mich etwas beruhigt. Auch das CT vom Kopf heute war ohne Befund.
Meine Werte von gestern bis heute sehen aus, als ob ich meine Basalgabe halbieren und den Bolus verdoppeln müsste. Aber ich halte mich zurück und fahr nur die Basalgabe heute nacht zurück.

PS: ich hab mal die 650 G5-Lösung umgerechnet, das sind ja weniger als 3 BE, das würde ja genau passen von 3->9mmol/l. Frag mich warum die Ärztin das so außergewöhnlich fand.

Besten Dank für alle Beiträge - hat alles zu meiner Beruhigung und größerem Verständnis beigetragen.
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Offline Trüffel

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #8 am: Mai 10, 2010, 22:25 »
Sowas ist mir auch passiert.

Ich war damals im Büro und habe vor Arbeitsende 30 Minuten Kartons für die Altpapiersammlung am nächsten Tag zusammengestapelt, geschnitten, gefalzt, bei geringer Restwirkung des Mittagsbolus.
Danach bin ich 100 Meter zu einem Laden gegangen, um noch was zu kaufen. Bereits an der Kasse reagierte ich bereits nicht mehr normal. Ich wußte nicht, daß ich bezahlen sollte, wo das Geld im Geldbeutel war, kramte hin und her, starrte die Kassiererin blöd an...  :schwirr:

Ich hatte mich geschämt und verließ schnell den Laden. Dann weis ich nichts mehr so richtig. Es war Winter und es lag überall Schnee.

Ein alkohisierter Obdachloser hatte gemerkt, daß mit mir etwas nicht stimmt und mich nach meiner Adresse und Telefonnummer gefragt.
Ich war total genervt von ihm und konnte seine Bierfahne nicht ausstehen. Aber ich hielt mich - weiß nicht wie lange - dort am Rathaus in seiner Nähe auf.

Irgendwann hatte ich nachgegeben, weil er hartnäckig war (im Nachhinein bin ich ihm sehr dankbar) und er rief meine Eltern an.
Die holten mich mit dem Auto ab, das war um 19.45 Uhr.

Was genau ich in der Zeit dazwischen gemacht habe, weiß ich nicht. Ich kenne nur den Anfang und den Schluß und das "Zwischendrin" war stark vernebelt, ohne Zeitgefühl.
Jedenfalls bin ich nicht ohnmächtig geworden, sonst wäre mir schneller Hilfe zugekommen.

Irgendwie komisch, daß ich wie ferngesteuert, abwesend solange bei Eiseskälte in der Nacht in einer belebten Kleinstadt durch die Straßen gelaufen bin.  :staun:

Gruß Trüffel
Wenn Fleisch und Wurstwaren bei uns mittlerweile billiger angeboten werden als Hundefutter,
muss man sich schon fast nicht mehr wundern, dass man für den Preis auch Hundefutter bekommt.  Adi Sprinkart

Offline Llarian

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Re: Hypoglycämie - Ohnmacht - Amnesie
« Antwort #9 am: Mai 10, 2010, 23:08 »
Jedenfalls bin ich nicht ohnmächtig geworden, sonst wäre mir schneller Hilfe zugekommen.

Irgendwie komisch, daß ich wie ferngesteuert, abwesend solange bei Eiseskälte in der Nacht in einer belebten Kleinstadt durch die Straßen gelaufen bin.  :staun:

Ich mache derzeit eine duale Ausbildung, d.h. ich bin im Monat eine Woche in der Berufsschule in einer Klasse mit knapp 30 knapp postpubertären männlichen Wesen und drei Wochen im Monat im Büro mit zwei bis drei Kollegen.
In der Schule, wo mich ein Lehrer auch in so einer Blockwoche nur wenige Stunden sieht und das in einem riesen lärmenden Haufen, ist es aufgefallen, daß ich nicht normal reagiere und er hat  mich am Arm mit rausgenommen, drauf geachtet, daß ich etwas esse und es wieder besser geht. Als ich einen Monat später bewußtlos vom Notarzt versorgt wurde, haben mich kurz vorher, als ich nur noch halb da war, Mitschüler angesprochen, ob alles in Ordnung ist...
Im Büro sitzen mir meine Kollegen am Tag acht Stunden gegenüber, drei Wochen pro Monat... zwei bis drei.... Es gab zwei Situationen, in denen ich Fremdhilfe gut hätte gebrauchen können, aber es keiner gemerkt hat.

Auswüchse unserer modernen Gesellschaft...