Lange habe ich es mir vorgenommen, endlich nehme ich mir die Zeit: Hier meine Erfahrungen und Eindrücke vom Diabetesdorf Althausen mit kleinem Vorspann:
Nachdem ich einige Jahre lang meine HbA1c-Werte nur selten unter die 7% bekommen habe, wurde mir etwa Mitte letzten Jahres verschärft bewusst, dass endlich was passieren muss. Vor allem wurde mir klar, dass ich meine Motivation in Sachen Diabetes mit meinen eigenen Bemühungen alleine nicht mehr aufbauen kann. Ich hab nicht wirklich verstanden, warum ich in dieses jahrelange Tief gerutscht war. Vermutlich war es ein Zusammenspiel vieler Gründe, wie wenig engagierte Diabetologen, eigene eingeschlichene Gleichgültigkeit, unbewusstes mangelndes Wissen, Frust wegen fehlender Erfolgserlebnisse, usw.
Mitte letzten Jahres packte ich mich dann am Schopf und versuchte, mich aus dem Sumpf herauszuziehen. Nur wie?
- Ein stationärer Schulungsaufenthalt im Diabeteszentrum München-Schwabing (wo ich bis zuletzt in Behandlung war) kam aufgrund eigener schlechter Erfahrungen nicht mehr in Frage. Was dort Pumpen-Profi-Schulung genannt wird, kann man in die Tonne klopfen.
- Andere für mich erreichbare Zentren und Praxen bieten nach meinen eigenen Recherchen auch keine besseren Schulungen und Behandlungen an. (Dass der Grundbedarf mit der Basalrate und das Essen mit dem Bolus abgedeckt werden soll, weiss ich nämlich auch selbst, hierzu brauche ich keine Diabetesberaterin.)
- Meine früheren geschätzten Diabetologen Dr. Renner und Dr. Liebl aus dem Diabeteszentrum München-Bogenhausen sind dort nicht mehr ansässig und für mich deshalb nicht mehr oder nur umständlich zu erreichen. Also fielen auch die für mich flach.
- Die beiden niedergelassenen Diabetologen im Umkreis kenne ich aus Vorträgen. Sie behandeln hauptsächlich Typ2, haben von Pumpe keine Ahnung und machen auch sonst keinen sonderlich kompetenten Eindruck.
- Außerdem war mir sowieso nicht weiterhin nach quartalsmäßigen Routinebesuchen.
Nun gut. Natürlich hatte ich schon sehr oft von Dr. Teupe gehört.
Seine Protokoll-Tapeten, seine Schemata und Regelwerke fand ich absolut übertrieben. An seinen Artikeln im Insuliner und an seinem Buch hat mich gestört, dass ich zu doof war, den Inhalt zu verstehen bzw. verstehen zu wollen und dadurch nie einen wirklichen Bezug zu meinem eigenen Diabetes herstellen konnte. In den Foren hat es mich immer sehr genervt, dass sich die Teupianer als „was Besseres“ fühlten, ausserdem kam Dr. Teupe - aus welchen Gründen auch immer - oft als eigensinniger Guru rüber.
Aber plötzlich (oder insgeheim vielleicht schon länger) hat es mich dann doch interessiert, was eigentlich genau hinter Dr. Teupe und seinem Dorf steckt. Und so folgte nach reiflicher Überlegung ein sehr sympathisch verlaufendes Telefonat mit Dr. Teupe und eine Anmeldung für den November-Kurs.
Am 5. November 2008 wars dann soweit. Sehr früh morgens verließ ich mit vollbepacktem Auto inkl. 18 Paar Socken die Erdinger Pampa in Richtung Bad Mergentheimer Pampa. 310 km, zum Glück hauptsächlich Autobahn. Nach guter Routenplanung und gutem McDonalds-Timing kam ich dann genau um 10 Uhr in Althausen an und wurde dort sehr nett vom Praxis-Team und den Betreuern begrüßt. Die Zimmer wurden bezogen, das erste Mittagessen wurde von den Betreuern gekocht und dann gabs auch schon um 14 Uhr die erste Schulung.
Wie befürchtet, kam es erstmal zu einer grossen Vorstellungsrunde. Dr. Teupe wollte vor allem die Gründe für den Aufenthalt in Althausen wissen. Man glaubt ja gar nicht, wie bohrend ein Mensch nachfragen kann…..
Der Tagesablauf im Diabetesdorf pendelte sich aufgrund der guten Organisation sehr schnell ein. Die Schulungen von 10-12 Uhr, 14-16 Uhr und 20-22 Uhr und die Mahlzeiten (Zubereiten, Essen, Abwasch) haben meist den ganzen Tag beansprucht. Wir hatten absolut keinen Stress, die drei Wochen waren für mich sogar sehr erholsam, aber man war doch meist mit irgendwas beschäftigt. In den freien Minuten (bzw. Stunden, denn an den Wochenenden gabs keine Nachmittags-Schulung) konnte man Erfahrungen austauschen, in die Stadt fahren oder sich aber auch einfach mal aufs Zimmer zurückziehen.
Die Essenszubereitung und die übrigen Haushaltsarbeiten haben erstaunlich gut geklappt. Jeder kennts aus dem Berufs- und Privatleben: Die einen sehen die Arbeit, die anderen sehen sie nicht, aber keiner meints böse. Wenn jemand neben dem kochenden Wasser steht und drauf wartet, dass die Reiskörnchen von alleine reinspringen, dann muss halt ein anderer ein wenig nachhelfen. Und so ging dann unterm Strich wirklich alles ganz reibungslos und hat auch recht grossen Spass gemacht.
Der Unterricht selbst war einfach nur der Hammer. Das habe ich aber am Anfang nicht gleich gemerkt. Die ersten Stunden dachte ich echt, ich wäre im falschen Film. Zu meinem persönlichen Problem, dass ich mich in fremder Umgebung unter fremden Leuten nicht wohl fühle, kam dann auch noch hinzu, dass dieser Dr. Teupe für mich fachlich völlig unverständliche Dinge über MEINE Krankheit Diabetes durch seinen Bart in sein schlecht sitzendes Clip-Mikrofon nuschelte. Ich habe mich seit Beginn meiner Krankheit, also 19 Jahre lang immer bemüht, alles ganz genau über meinen Diabetes zu erfahren und am Ball zu bleiben, und nun solls da plötzlich soviel Neues geben? Und die komplette Therapie soll von einem Tag auf den anderen komplett umgestellt werden? Damit kam ich mental echt nicht gut zurecht. Als dann auch noch die Schiss-BE-Regel kam, war das Fass kurz vorm Überlaufen.
Ich glaube, Dr. Teupe kennt diese Probleme seiner Patienten gut und zieht hauptsächlich deshalb seinen Stoff so konsequent durch. Wenn er gerade in den ersten Tagen auf jede Frage lang und breit eingehen würde und alle Bedenken ständig besänftigen müßte, dann käme er stoffmäßig nicht vom Fleck.
Mit der Zeit wurden die Fronten weicher und ich hab verstanden und vor allem am eigenen Diabetes gefühlt, dass Dr. Teupe doch ein wenig Ahnung von dem hat, wovon er spricht. Nach einer Woche hatte ich das Lager komplett gewechselt und war vollkommen fasziniert vom Unterricht. Leider hatte ich vormittags recht oft Konzentrationsstörungen (mein persönliches Problem, hat nix mit der Schulung an sich zu tun) und hab deshalb wohl einiges an Stoff verpasst. Aber ich denke, das Wichtigste hab ich mitbekommen. Alleine die Themen um die Insulinrezeptoren waren für mich schon der Aufenthalt wert. Seit ich mit der up- und down-Regulation umgehen kann bzw. sie soweit wie möglich vermeide, habe ich keine unerklärlichen Werte mehr. Aber es gab noch soviel anderes Interessantes zu hören. Seit ich die Sportanpassung und die Fett/Eiweiß-Insulinierung so mache, wie ich es in Althausen gelernt habe, kann ich über meine Pi-mal-Daumen-Anpassungen von früher nur noch müde lächeln. Auch die Erkenntnis, dass sich Stress-Situationen nicht/kaum direkt auf den BZ auswirken (sich nur indirekt auswirken können), war für mich vollkommen neu und sehr hilfreich. Wie oft hatten früher ich und vor allem meine Diabetologen viele hohe Werte nicht näher beleuchtet, „weil hier ja das Adrenalin mitreingespielt hat und dieses ja so unberechenbar ist“. Hmmm…. irgendwas muss daran aber falsch gewesen sein, denn seit ich die Stress-Situation aus dem Althäuser Blickwinkel betrachte, läuft es sehr gut!
Ich habe kaum mehr Hypos, aber trotzdem ein HbA1c von unter 6%. Ich bin so wahnsinnig glücklich drüber. Auch fühle ich mich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig gut eingestellt. Ich laufe nicht mehr mit vielen BZ-Messungen meinen Werten hinterher, sondern bei mir steht jetzt mit einer völlig flachen Basalrate, dem spannenden Aufstehinsulin (kannte ich in dieser Form vorher nicht) und der an die Bewegung angepassten BE-Faktoren ein Grundgerüst, auf das ich mich verlassen kann. Auch wenn ich Dr. Renner nach wie vor sehr schätze, muss ich seinen berühmten Basalraten-Rechenschieber, der als Orientierungshilfe dienen soll, nun doch in den Boden stampfen.
Und wenn ich dann mal Lust drauf habe, meinen Diabetes einige Zeit ein wenig schleifen zu lassen (diese Lust habe ich leider immer noch hin und wieder), dann hat das keine allzu bösen Auswirkungen.
Die drei Wochen gingen schneller rum als gedacht. Der Aufenthalt in Althausen hat sich für mich sehr gelohnt, ich denke, was Besseres hätte ich meinem Diabetes nicht tun können. Meine Erwartungen wurde bei Weitem übertroffen, weil ich Dr. Teupe und seinen Unterricht im Vorfeld gewaltig unterschätzt hatte.
Der Therapie-Aufwand war anfangs schon recht hoch. Die perfekte Basalrate und die genauen BE-Faktoren standen erst nach insgesamt etwa 2-3 Monaten und mussten relativ hart erkämpft werden (bei anderen geht’s schneller, vielleicht habe ich mich nur ein wenig blöd angestellt). Ein Diabetesdorf alleine macht also nicht glücklich, sondern man muss schon was dafür tun.
Zum Glück habe ich die Krankenkasse (DAK) mit hartnäckigem Vorgehen dazu gebracht, die Kosten für den Aufenthalt zu übernehmen. Die Meinungsdifferenzen mit der Kasse haben etwa fünf Wochen gedauert, die Zusage hatte ich erst, als ich schon wieder zu Hause war.
Ich bin jetzt auch immer noch bei Dr. Teupe in Behandlung. Für mich ist die Organisation seiner Praxis (Telefonsprechstunde, Protokolle per Fax, Rezepte/Überweisungen/HbA1c per Post) sehr praktisch. Auch finde ich es sinnig, nicht routinemäßig 1x im Quartal in der Praxis anzutanzen, sondern einfach nur genau dann die Protokolle durchzufaxen und anzurufen, wenns wirklich ein Problem gibt. Ich habe Dr. Teupes Hilfe in den ersten Wochen nach dem Aufenthalt öfters gebraucht. Inzwischen bzw. in Zukunft werde ich ihn wohl nur noch sehr selten kontaktieren müssen. Es gibt mir aber Sicherheit zu wissen, dass ich immer (in Notfällen auch rund um die Uhr) einen kompetenten Ansprechpartner habe.
Was mir an Dr. Teupe besonders gefällt ist,
- dass er so gut und unterhaltsam unterrichtet,
- dass er dabei aber den Ernst der Erkrankung nie vergisst,
- dass er die Bemühungen seiner Patienten sieht und schätzt,
- dass er jeden einzelnen Patienten samt Eigenarten respektiert und achtet und dass er sich aufrichtig für sein Gegenüber interessiert,
- dass er versucht, zu seinen Patienten ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen und dadurch Vertrauen schafft,
- dass seine Patienten von seinen jahrzehntelangen und über x-tausend Patienten dokumentierten und aufbereiteten Erfahrungswerten profitieren dürfen (ich habe mehrmals versucht zu überlegen, wieviel Arbeit hinter diesen Daten steckt, habs dann aber wieder sein lassen, weil sie sich wohl irgendwo ausserhalb meiner Vorstellungskraft bewegt),
- dass er sich jeden Tag 4-6 Stunden einrichtet, um seine Schäfchen selbst zu unterrichten, auch am Wochenende,
- dass es ihn und sein Diabetesdorf gibt.
Böses über Dr. Teupe gibt’s zumindest von mir nicht zu berichten, ausser, dass er erstaunlich schnell mal schlechte Laune haben kann und die so ansteckend ist. Aber ich denke, damit kann man leben.
So, das waren meine Gedanken zu Althausen. Ich bin gespannt, ob sie jemand von Euch gelesen hat und freue mich auf gleiche oder andere Ansichten, Fragen, Ergänzungen …