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Autor Thema: Vorweihnacht  (Gelesen 6444 mal)

Offline vreni

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #20 am: Dezember 08, 2004, 12:36 »
Es ist nur der Clown

"Komische Sache", denkt der Clown und betrachtet dabei aufmerksam sein Gesicht in der Spiegelscherbe. "Man hat als Clown nichts zu lachen! Wenn ich das Gesicht in die entsprechenden Falten lege, lachen die Leute darüber. Sie haben gut lachen! Alle lachen sie über mich. Wer lacht mit mir?"

Die schneeweiße Haarsträhne fällt dem Clown über die hohe Stirn. Er sieht erbärmlich alt aus. Er ist krank. Aber sein Beruf kennt keine Krankheit. Die Leute wollen lachen und applaudieren. Abend für Abend steht der Clown in lächerlich groteskem Aufzug im Scheinwerferlicht. Sie vergießen Tränen vor überschäumender Fröhlichkeit. Der Clown holt sie weit fort aus dem grauen Alltag, die vielen Menschen, die jeden Abend zur Vorstellung kommen, und er führt sie für Stunden in eine andere, lustige, augenzwinkernde, fröhliche Scheinwelt.

Nicht daß es die Welt des Humor nicht gäbe! Aber nach der Vorstellung, wenn er vor der Spiegelscherbe sitzt, dann überkommt ihn das heulende Elend.

"Ich bin wirklich krank und fühle mich gar nicht wohl!" denkt er und kramt zwischen den Schminktöpfen und Puderdosen herum. "Aber wann fühle ich mich je in dieser Rolle wohl?"

Er zieht mechanisch die Augenbrauen nach, schminkt die Mundpartie schneeweiß, pudert ab, wühlt den Rotstift hervor und starrt abwesend in das trübe, blindgewordene Glasstück. "Glück und Glas wie leicht bricht das!"

Da öffnet sich die Wohnwagentür und der Inspizent ruft: "Los, du bist gleich dran! Verflixte Trottelei!"

Der Clown erschrickt. "Ich grüble zuviel!", denkt er und verzieht das Gesicht zur üblichen, wirkungsvollen Maske. Raus aus dem Wagen, hinüber in die Arena! Die Kapelle schmettert schon den letzten Teil des Galopps.

Und dann steht er mitten im Scheinwerferlicht und lächelt. Auf den Zuschauersitzen quittieren man mit gönnerhaftem Applaus.

"Eigentlich bin ich nur der Pausenfüller", grübelt der Clown und verzieht das Gesicht. Und schon lachen die Leute.

Dann folgt ein bißchen Akrobatik auf der Handharmonika und die Sache mit dem Hut. Die Leute lachen und klatschen.

Dann kommt die Hosenszene dran. Die viel zu langen Schuhe, die unheimlich dehnbaren Hosenträger, der Sockenhalter rechts ... Das Volk auf den Plätzen wiehert vor Vergnügen. Einem dicken Mann stehen die Wasserperlen vor Lachen in den Augen.

"So, jetzt den Salto rückwärts! - Gleich, gleich ... O Gott, mir ist schlecht, übel, ganz furchtbar unwohl. Was ist bloß los ...? Ich sehe lauter kringelnde Kreise. Ich sehe ..." Der Clown setzt sich hin und kriegt Schwierigkeiten mit den ellenlangen Hosenbeinen.

Das ist unvorschriftsmäßig, gehört nicht zur Nummer. Er bückt sich und schiebt die Hosenbeine hoch, das Volk lacht, während er automatengleich das Gesicht verzieht, was stets dieselbe Wirkung verspricht.

In der dritten Reihe sitzt ein kleines Mädchen neben seiner Mutter. Das Kind quietscht vor Vergnügen. Die Mutter lacht. "Mutti, der ist gut, wie?" Und sie lacht und vergißt alles um sich herum, sieht nur die strahlenden Kinderaugen und denkt: "So ein Clown ist ein glücklicher Mensch. Er kann Tausende zum Lachen bringen und wird dafür bezahlt."

Da hat der Clown sich wieder in der Gewalt. Er spürt, wie es in der Kehle würgt. Aber er ist lachende, komische Maske. "Jetzt den Salto? ... Nein, noch nicht, Augenblick noch. Mir ist heute so schwindelig im Kopf, wovon nur? - Ich könnte den nächsten Witz vorwegnehmen." Der Clown tritt vor, legt den Zeigefinger quer über den Mund, wartet eine Weile, bis es ganz still unter dem Zeltdach geworden ist und setzt dann zum nächsten Witz an ...

"Was ist los? Will er nicht, hat er wieder keine Lust?" flüstert der Saxophonbläser dem zweiten Geiger zu.

"Ist schon die ganzen Tage über so seltsam verändert gewesen", gibt der zurück.

"Ja, aber wo bleibt der Salto? Der bringt uns die ganze Nummer durcheinander. Wann bin ich dran?"

Die Zuschauer sind ganz Ohr. Der Dicke beugt sich vor, damit ihm kein Wort entgeht. Dann knallt die Pointe. Eine Sekunde braucht das Volk zum Begreifen. Dann fetzt das Lachen, das Wiehern, Schnaufen und Glucksen durch die Runde. Der Clown wankt, taumelt, torkelt. Das sieht zum Kullern aus, bei seinen überlangen Schuhen und Hosen. Sie lachen, lachen, lachen ...

Der Clown hebt abwehrend die Hand. Um ihn dreht sich das ganze Zelt. Jetzt hilft keine Ausflucht mehr. Jetzt kommt der Salto. Der Salto. Der Sal ... Der komische Mann in der Manege setzt an, springt auf dem federnden Sprungbrett ab, springt, fliegt, überschlägt sich, fällt ... und bleibt liegen.

"Jetzt markiert er!" ruft das lachende Mädchen seiner Mutter zu. Applaus klingt auf, steigert sich, noch lauter ... Vielleicht steht er dann wieder auf.

"Es stimmt was nicht!" raunt der Saxophonist zum Geiger.

Der Clown bleibt liegen.

Die Beine sind lang ausgestreckt, die Hose ist darüber gerutscht. Der Hut ist ganz vorschriftsmäßig durch die Arena gekugelt. Nur die brandrote Perücke ist unvorschriftsmäßig abgefallen. Die Leute halten das für einen gewollten Trick. Man sieht das schneeweiße Haar hervorquellen. "Das ist ja ein alter Mann, Mutti", piepst das kleine Mädchen. Ja, da liegt ein alter, verlassener Mann, der jeden Abend Tausende zum Lachen gebracht hat und selbst im Leben nichts zu lachen hatte. Er ist tot!

Der Zirkusdirektor stürzt in die Manege, verbeugt sich steif. Niemand lacht mehr. Es ist totenstill unter dem Kuppelzelt geworden. In diese Stille hinein fragt der Schwarzbefrackte: "Ist zufällig ein Arzt unter den Herrschaften?"

 ;)
 
   
 

Offline Ludwig

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #21 am: Dezember 08, 2004, 13:17 »
Es ist nur der Clown


 :'(
wunderbar!! eine Geschichte mit Tiefgang!
SiDiary Win32, SiDiaryPPC,WinXP SP3 oder Win 7 + Firefox 3.5

Als ich ein Bursche von 14 war, verhielt sich mein Vater so überheblich, daß ich es kaum aushalten konnte, mit ihm zusammen zu sein. Als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, was der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte! M. Twain

Offline Joerg Moeller

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #22 am: Dezember 08, 2004, 13:44 »
Ja, stimmt. Gefällt mir wirklich sehr gut! Les' ich jetzt auch zum ersten mal. Echt nett!
Woher wusstest du, dass sie mir gefallen würde???

Man kann nicht den kleinen Prinzen mögen und diese Geschichte blöd finden :zwinker:
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Offline Joerg Moeller

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #23 am: Dezember 08, 2004, 13:55 »
Paul Young
Both Sides Now

 

Bows and flows of angel hair,
And ice-cream castles in the air.
And feather canyons everywhere,
I've looked at clouds that way.
 
But now they only block the sun,
They rain and snow on everyone.
So many things I would have done,
But clouds got in my way.
 
I've looked at clouds from both sides now,
From up and down. And still somehow
It's clouds illusions I recall;
I really don't know clouds at all.
 
Moons and Junes and ferries wheels,
The dizzy dancing way you feel.
When every fairy tale comes real;
I've looked at love that way.
 
But now it's just another show,
You leave them laughing when you go.
And if you care, don't let them know,
Don't give yourself away.
 
I've looked at love from both sides now,
From give and take. And still somehow
It's loves illusions I recall;
I really don't know love at all.
 
Tears and fears and feeling proud,
To say 'I love you' right out loud.
Dreams and schemes and circus crowds,
I've looked at life that way.
 
But now old friends are acting strange.
They shake their heads, they say I've changed.
But something's lost but something's gained,
In living everyday.
 
I've looked at life from both sides now,
From win and loose. And still somehow
It's life illusions I recall;
I really don't know life at all

(Sorry, ich kann es leider nicht so übersetzen, daß es nicht holprig klingt :nixweiss: )
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Offline vreni

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #24 am: Dezember 09, 2004, 08:15 »
Das Mädchen mit den Schwefelhölzer

Es war später Abend, die Dunkelheit hatte sich längst über die Stadt gelegt. Es schneite und war grimmig kalt. Der letzte Tag im Jahr neigte sich seinem Ende zu. In dieser Finsternis und Kälte ging ein kleines Mädchen durch die Straßen der Stadt. Es war ein armes Mädchen, ohne Kopftuch und mit nackten Füßen lief es durch die dunklen Gassen.  Am frühen Morgen, als sie von zu Hause wegging, hatte sie noch Pantoffeln angehabt, Pantoffeln die früher ihre Mutter getragen hatte und die dem kleinen Mädchen viel zu groß waren. Jetzt stand sie barfuss am Straßenrand, denn das kleine Mädchen hatte die Pantoffeln verloren. Hatte sie verloren als sie zu schnell über die Straße gehastet war, um nicht von einer herannahenden Kutsche überfahren zu werden. Für einen kleinen Moment hatte sie traurig innegehalten. Jetzt ging sie auf ihren kleinen nackten und von der eisigen Kälte bereits rot und blau gefärbten Füßchen einsam und frierend weiter. In einer alten, abgewetzten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer, während sie einen Bund zitternd in der Hand  hielt.  Den ganzen Tag hatte ihr noch niemand etwas abgekauft. Nicht einmal Almosen hatte man ihr geschenkt.

Den Tränen nahe schlich sie mutlos, hungrig und zitternd vor Kälte die Straße entlang. Schneeflocken fielen auf ihr langes, schönes blondes Haar, das ihr in sanften Wellen bis zu den Schultern hinab fiel. Aber daran verschwendete sie im Moment keine Gedanken. Denn ihre Blicke wanderten hinauf zu den hell erleuchteten Fenstern, hinter deren Scheiben überall Wärme ausstrahlende Lichter glänzten. Herrlicher Duft von Gänsebraten drang an ihre Nase und zog durch die engen Straße der verschneiten Stadt.  Sie dachte daran, das es Silvesterabend ist. Sie dachte an ihren vor Hunger knurrenden Magen und wie die Menschen dort oben, hinter den vereisten Fenstern wohl feiern mochten? Langsam ging sie weiter, ohne dabei ihre traurigen Augen von den hell erleuchteten Fenster abzuwenden. In einem von zwei Häuser gebildeten Winkel, von denen ein Haus zur Straßenfront hinausragte, hielt sie inne. Hier war sie etwas vor dem eisigen Wind geschützt. Aber die Kälte nahm weiter zu. Müde kauerte sie sich nieder. Zu gerne wäre sie jetzt nach Hause gegangen. Sie fror sehr. So sehr, das ihr die Füße und Hände schmerzten. Aber trotz der zunehmenden Kälte getraute sie sich nicht den Heimweg anzutreten. Zu groß war ihre Angst vor den Schlägen des Vaters, weil sie noch nicht für einen einzigen Pfennig Zündhölzer verkauft hatte. Auch wusste sie nicht, was sie dort eigentlich sollte? Denn auch daheim war es eisig kalt. Sie wohnten direkt unter dem Dach. Auch da pfiff der eisige Wind durch alle Ritzen und Löcher des alten Gemäuer. Die Kälte nahm weiter zu und das kleine Mädchen fror immer entsetzlicher! Ob sie es wohl wagen durfte, wenigstens ein einziges Streichholz  anzuzünden, um sich ihre erstarrten Händchen daran zu wärmen? Zitternd und umständlich zog sie ein Schwefelhölzchen raus und zündete es unbeholfen mit ihren klammen Fingern an! Hell entfachte sich fauchend der kleine Schwefelkopf, während die Zündflamme dabei kleine Funken versprühte. Ihre Kinderaugen glänzten und starrten glücklich auf die kleine Streichholzflamme. Oh wie schön diese doch war! Das kleine Mädchen glaubte plötzlich, an einem wärmenden Ofen zu sitzen, und streckte ihre halb erfrorenen Füßchen aus, um auch diese zu wärmen. Aber im gleichen Moment erlosch das Streichholz. Der Ofen war verschwunden, und sie saß mit dem abgebrannten Ende des Schwefelhölzchen wieder im dunkeln. Eilig entfachte sie ein weiteres Zündholz. Während sich das kleine Mädchen dabei einen Moment in der einsamen Straße umsah, bemerkte es, das der Feuerschein des Zündhölzchens  bis zu einer nahe gelegenen Mauer leuchtete. Angestrengt starrte sie durch das dichte Schneetreiben genau auf jene Stelle der Mauer, worauf der Lichtschein ihrer kleinen Streichholzflamme fiel. Denn genau an dieser Stelle wurde die Mauer plötzlich durchsichtig. Wurde durchsichtig  wie ein sanfter Schleier. Das kleine Mädchen konnte jetzt durch den Schleier hindurch in eine warme Stube sehen. In der Mitte des Raumes stand ein festlich gedeckter Tisch auf dem sich ein herrlich duftender Gänsebraten befand. Gefüllt mit Äpfel und getrockneten Pflaumen. Ihr kleines  Kindergesicht begann zu leuchten. Aber was war das? Die gebratene Gans sprang plötzlich aus der Schüssel und watschelte geradewegs auf das kleine Mädchen zu! Da ging ihr auch dieses Streichholz aus und sie blickte nur noch auf die kahle, kalte Mauer. Sie zündete ein weiteres Schwefelhölzchen an. Kaum leuchtete es auf, saß sie plötzlich unter einem großen, herrlich geschmückten Weihnachtsbaum. Auf seinen grünen Zweigen brannten Tausende von Lichter. An den Zweigen hingen Kugeln und bunte Weihnachtsbilder. Es waren die gleichen Bilder wie das kleine Mädchen sie in den festlich geschmückten Schaufenstern bewundert hatte. Jetzt sahen diese Bilder auf sie runter und es roch nach Bratäpfel. Gerade als die Kleine freudig  beide Händchen danach ausstreckte, erlosch auch dieses Schwefelholz. Die herrlichen Weihnachtslichter aber stiegen jetzt höher und immer höher und das kleine Mädchen sah sie jetzt als funkelnde Sterne am Himmelszelt. Währen das Mädchen mit leuchtenden Augen das Wunder bestaunte, fiel plötzlich einer der Sterne herab und zog einen langen Feuerschweif hinter sich her. "Jetzt stirbt ein Mensch!" Sagte sich das kleine Mädchen. Denn ihre alte, längst verstorbene Großmutter hatte ihr einst  erzählt, das immer dann, wenn ein Stern vom Himmel fällt, eine Seele zu Gott emporsteigt! Neugierig entzündete sie wieder ein Schwefelhölzchen und sah im sanften Lichterglanz plötzlich ihre gute, alte Großmutter. Voller Liebe und verständnisvoller Wärme sah die Großmutter auf das kleine Mädchen mild herab. Da rief das Mädchen plötzlich Herz zerreißend: "Liebe, liebe Großmutter, bitte nehme mich mit!  Ich weiß genau, dass du wieder verschwindest, wenn das Schwefelhölzchen erlischt. Genauso verschwinden wird wie der warme Ofen, der herrliche Gänsebraten und der herrlich geschmückte  Weihnachtsbaum!" Jetzt strich das kleine Mädchen eilig ein Schwefelhölzchen nach dem anderen an, um die Großmutter möglichst lange festzuhalten. Sie hatte die Großmutter früher nie so schön gesehen. Sie sah wundervoll aus und das Mädchen hatte die Großmutter auch nicht so groß in Erinnerung, wie diese jetzt auf sie zukam. Liebevoll nahm die Großmutter das kleine blonde Mädchen auf ihren Arm und beide flogen voller Freude im Glanz der Sterne nach oben. Stiegen hinauf zum nächtlich funkelnden Himmelszelt. Flogen zu jenen Ort, an dem es weder Kälte, noch Hunger gab. Stiegen auf zu ihrem Schöpfer. Flogen zu jenem Ort wo es keine Angst mehr gibt! Denn jetzt waren Sie bei Gott!

Als aber am Neujahrsmorgen die ersten Menschen auf die Straße gingen, fanden die Leute genau im Winkel zwischen den beiden Häusern ein kleines Mädchen mit roten Wangen und einem sanften Lächeln im Gesicht. Es war tot. Erfroren am letzten Abend des alten Jahres. Rund um das kleine, tote Mädchen, lagen abgebrannte Schwefelhölzer. "Sicherlich hat sie noch versucht, sich zu wärmen", sagten mitleidig die Leute. Was die Menschen aber nicht wussten, waren die wunderschönen  Dinge die das kleine Mädchen gesehen hatte. Ahnten nichts von ihrem letzten Erlebnis und wie das kleine Mädchen zusammen mit ihrer alten Großmutter zu Neujahr aufgestiegen war. Gemeinsam mit ihrer Großmutter im Sternenglanz aufgestiegen war, zu Gott, ihren Schöpfer!

 

(Frei übersetzt nach einem Volksmärchen von Hans Christian Andersen)

 ;)

Offline vreni

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #25 am: Dezember 10, 2004, 19:28 »
http://www.ulistein.de/advent.html
vieileicht schaut ihr rein  :D

Offline Joerg Moeller

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #26 am: Dezember 11, 2004, 01:48 »
Es war schon spät geworden im Himmel, und der liebe Gott ging wie jeden Abend auf dem Rundgang durch sein Reich zu seinem Lieblingsbaum, um sich dort niederzusetzen und zu sehen, „...daß es gut war“, wie er es schon immer getan hatte.
Plötzlich fiel sein Blick auf einen kleinen Jungen, der etwas abseits stand und irgendwie ratlos schien, und ‚Er‘ wußte, daß es nicht gut war...
‚Er‘ sah natürlich sofort, wo das Problem lag: an der Ausgabestelle für Eltern, dort wo jedem neuen Kind seine Familie zugeteilt wurde, hatte man ihm das in die Hand gedrückt, was üblicherweise zum Feierabend zusammengekehrt und auf den Haufen mit dem übrigen Ausschuß, der dringend reparaturbedürftig war, gelegt wurde.
Da hatte wohl einer der Aushilfsengel dort Mist gebaut (gutes Personal ist selbst für ‚Ihn‘ schwer zu bekommen) und nun stand dieser Junge da und wußte nicht so recht, wie es weitergehen sollte.
Die Ausgabestelle war schon geschlossen, und da sich selbst ‚Er‘ nicht mit der Gewerkschaft anlegen wollte, beschloß er auszubügeln, was auszubügeln war.

Da es normalerweise Sache der Eltern ist, einem Kind zu zeigen, was Gut und Böse, Richtig und Falsch ist, war klar, wo das Problem lag. Diesem Kind würde es niemand zeigen.
Also griff der Liebe Gott in das Geäst über sich und pflückte aus dem Baum der Erkenntnis einen besonders großen Extra-Apfel, damit dieser kleine Junge wenigstens halbwegs abgesichert war.

Das Kind ging davon, wußte immer noch nicht so recht, wie es nun weitergehen sollte, und ‚Er‘ lehnte sich zurück an den Stamm des Baumes, um zu sehen, daß es... immer noch nicht „gut“ war, aber was sollte man machen....
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Offline vreni

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #27 am: Dezember 11, 2004, 17:30 »
Elztern und Kinder - unendliche Verantwortung................... Du hast Kinder bist geprägt von der Vergangenheit. lebst in der Gegenwart und musst die Zukunft einbeziehen.................. ver-rückt ???

Offline vreni

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Samstag, 11.12.04
« Antwort #28 am: Dezember 11, 2004, 17:35 »
Das Paket des lieben Gottes
Bertolt Brecht (1898-1956)

Nehmt eure Stühle und eure Teegläser mit hier hinter an den Ofen und vergeßt den Rum nicht. Es ist gut, es warm zu haben, wenn man von der Kälte erzählt.

Manche Leute, vor allem eine gewisse Sorte Männer, die etwas gegen Sentimentalität hat, haben eine starke Aversion gegen Weihnachten. Aber zumindest ein Weihnachten in meinem Leben ist bei mir wirklich in bester Erinnerung. Das war der Weihnachtsabend 1908 in Chicago. Ich war Anfang November nach Chicago gekommen, und man sagte mir sofort, als ich mich nach der allgemeinen Lage erkundigte, es würde der härteste Winter werden, den diese ohnehin genügend unangenehme Stadt zustande bringen könnte. Als ich fragte, wie es mit den Chancen für einen Kesselschmied stünde, sagte man mir, Kesselschmiede hätten keine Chancen, und als ich eine halbwegs mögliche Schlafstelle suchte, war alles zu teuer für mich. Und das erfuhren in diesem Winter 1908 viele in Chicago, aus allen Berufen.

Und der Wind wehte scheußlich vom Michigansee herüber durch den ganzen Dezember, und gegen Ende des Monats schlossen auch noch eine Reihe großer Fleischpackereien ihren Betrieb und warfen eine ganze Flut von Arbeitslosen auf die kalten Straßen.

Wir trabten die ganzen Tage durch sämtliche Stadtviertel und suchten verzweifelt nach etwas Arbeit und waren froh, wenn wir am Abend in einem winzigen, mit erschöpften Leuten angefüllten Lokal im Schlachthofviertel unterkommen konnten. Dort hatten wir es wenigstens warm und konnten ruhig sitzen. Und wir saßen, solange es irgend ging mit einem Glas Whisky, und wir sparten alles den Tag über auf für dieses eine Glas Whisky, in das noch Wärme, Lärm und Kameraden mit einbegriffen waren, all das, was es an Hoffnung für uns noch gab.

Dort saßen wir auch am Weihnachtsabend dieses Jahres, und das Lokal war noch überfüllter als gewöhnlich und der Whisky noch wäßriger und das Publikum noch verzweifelter. Es ist einleuchtend, daß weder das Publikum noch der Wirt in Feststimmung geraten, wenn das ganze Problem der Gäste darin besteht, mit einem Glas eine ganze Nacht auszureichen, und das ganze Problem des Wirtes, diejenigen hinauszubringen, die leere Gläser vor sich stehen hatten.

Aber gegen zehn Uhr kamen zwei, drei Burschen herein, die, der Teufel mochte wissen woher, ein paar Dollars in der Tasche hatten, und die luden, weil es doch eben Weihnachten war und Sentimentalität in der Luft lag, das ganze Publikum ein, ein paar Extragläser zu leeren. Fünf Minuten darauf war das ganze Lokal nicht wiederzuerkennen. Alle holten sich frischen Whisky (und paßten nun ungeheuer genau darauf auf, daß ganz korrekt eingeschenkt wurde), die Tische wurden zusammengerückt, und ein verfroren aussehendes Mädchen wurde gebeten, einen Cakewalk zu tanzen, wobei sämtliche Festteilnehmer mit den Händen den Takt klatschten. Aber was soll ich sagen, der Teufel mochte seine schwarze Hand im Spiel haben, es kam keine rechte Stimmung auf.

Ja, geradezu von Anfang an nahm die Veranstaltung einen direkt bösartigen Charakter an. Ich denke, es war der Zwang, sich beschenken lassen zu müssen, der alle so aufreizte. Die Spender dieser Weihnachtsstimmung wurden nicht mit freundlichen Augen betrachtet. Schon nach den ersten Gläsern des gestifteten Whiskys wurde der Plan gefaßt, eine regelrechte Weihnachtsbescherung, sozusagen ein Unternehmen größeren Stils, vorzunehmen.

Da ein Überfluß an Geschenkartikeln nicht vorhanden war, wollte man sich weniger an direkt wertvolle und mehr an solche Geschenke halten, die für die zu Beschenkenden passend waren und vielleicht sogar einen tieferen Sinn hatten.

So schenkten wir dem Wirt einen Kübel mit schmutzigem Schneewasser von draußen, wo es davon gerade genug gab, damit er mit seinem alten Whisky noch ins neue Jahr hinein ausreichte. Dem Kellner schenkten wir eine alte, erbrochene Konservenbüchse, damit er wenigstens ein anständiges Servicestück hätte, und einem zum Lokal gehörigen Mädchen ein schartiges Taschenmesser, damit sie wenigstens die Schicht Puder vom vergangenen Jahr abkratzen könnte.

Alle diese Geschenke wurden von den Anwesenden, vielleicht nur die Beschenkten ausgenommen, mit herausforderndem Beifall bedacht. Und dann kam der Hauptspaß.

Es war nämlich unter uns ein Mann, der mußte einen schwachen Punkt haben. Er saß jeden Abend da, und Leute, die sich auf dergleichen verstanden, glaubten mit Sicherheit behaupten zu können, daß er, so gleichgültig er sich auch geben mochte, eine gewisse, unüberwindliche Scheu vor allem, was mit der Polizei zusammenhing haben mußte. Aber jeder Mensch konnte sehen, daß er in keiner guten Haut steckte.

Für diesen Mann dachten wir uns etwas ganz Besonderes aus. Aus einem alten Adreßbuch rissen wir mit Erlaubnis des Wirtes drei Seiten aus, auf denen lauter Polizeiwachen standen, schlugen sie sorgfältig in eine Zeitung und überreichten das Paket unserm Mann.

Es trat eine große Stille ein, als wir es überreichten. Der Mann nahm das Paket zögernd in die Hand und sah uns mit einem etwas kalkigen Lächeln von unten herauf an. Ich merkte, wie er mit den Fingern das Paket anfühlte, um schon vor dem öffnen festzustellen, was darin sein könnte. Aber dann machte er es rasch auf.

Und nun geschah etwas sehr Merkwürdiges. Der Mann nestelte eben an der Schnur, mit der das "Geschenk" verschnürt war, als sein Blick, scheinbar abwesend, auf das Zeitungsblatt fiel, in das die interessanten Adreßbuchblätter geschlagen waren. Aber da war sein Blick schon nicht mehr abwesend. Sein ganzer dünner Körper (er war sehr lang) krümmte sich sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen, er bückte sein Gesicht tief darauf herunter und las. Niemals, weder vor- noch nachher, habe ich je einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach. Und dann schaute er auf. Und wieder habe ich niemals, weder vor- noch nachher, einen so strahlend schauen sehen wie diesen Mann.

"Da lese ich eben in der Zeitung", sagte er mit einer verrosteten, mühsam ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand, "daß die ganze Sache einfach schon lang aufgeklärt ist. Jedermann in Ohio weiß, daß ich mit der ganzen Sache nicht das geringste zu tun hatte." Und dann lachte er.

Und wir alle, die erstaunt dabeistanden und etwas ganz anderes erwartet hatten und fast nur begriffen, daß der Mann unter irgendeiner Beschuldigung gestanden und inzwischen, wie er eben aus diesem Zeitungsblatt erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich an, aus vollem Halse und fast aus dem Herzen mitzulachen, und dadurch kam ein großer Schwung in unsere Veranstaltung, die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen, und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten, das bis zum Morgen dauerte und alle befriedigte.

Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine Rolle mehr, daß dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten, sondern Gott.
 ;)


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3. Advent 12.12.04
« Antwort #29 am: Dezember 11, 2004, 17:45 »
 


Weihnachten in einem Waisenhaus
von Christina Oberfeld

Schon als kleiner Junge hatte ich meine Eltern verloren und kam in ein Waisenhaus in der nähe von London. Es war mehr als ein Gefängnis. Wir mussten 14 Stunden täglich arbeiten- im Garten, in der Küche, im Stall, auf dem Felde. Kein Tag brachte eine Abwechslung, und im ganzen Jahr gab es für uns nur einen einzigen Ruhetag. Das war der Weihnachtstag. Dann bekam jeder Junge eine Apfelsine zum Christfest. Das war alles, keine Süßigkeiten, kein Spielzeug. Aber auch diese eine Apfelsine bekam nur derjenige , der sich im Laufe des Jahres nichts hatte zu schulden kommen lassen und immer folgsam war. Die Apfelsine an Weihnachten verkörperte die Sehnsucht eines ganzen Jahres.
So war wieder einmal das Christfest herangekommen. Aber es bedeutete für mein Knabenherz fast das Ende der Welt. Während die anderen Jungen am Waisenvater vorbeischritten und jeder seine Apfelsine in Empfang nahm, musste ich in einer Zimmerecke stehen und zusehen. Das war meine Strafe dafür, dass ich eines Tages im Sommer hatte aus dem Waisenhaus weglaufen wollen. Als die Geschenkverteilung vorüber war, durften die anderen Knaben im Hofe spielen. Ich aber musste in den Schlafraum gehen und dort den ganzen Tag über im Bett liegen bleiben. Ich war tieftraurig und beschämt. Ich weinte und wollte nicht länger leben.
Nach einer weile hörte ich Schritte und im Zimmer. Eine Hand zog die Bettdecke weg, unter der ich mich verkochen hatte. Ich blickte auf. Ein kleiner Junge namens William stand vor meinem Bett, hatte eine Apfelsine in der rechten Hand und hielt sie mir entgegen. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Wo sollte eine überzählige Apfelsine hergekommen sein? Ich sah abwechselnd auf William und auf die Frucht und fühlte dumpf in mir, dass es mit der Apfelsine eine besondere Bewandtnis haben müsse. Auf einmal kam mir zu Bewusstsein, dass die Apfelsine bereits geschält war, und als ich näher hinblickte, wurde mir alles klar, und Tränen kamen in meine Augen, und als ich die Hand ausstreckte, um die Frucht entgegenzunehmen, da wusste ich, dass ich fest zupacken musste, damit sie nicht auseinander fiel.
Was war geschehen? Zehn Knaben hatten sich im Hof zusammengetan und beschlossen, dass auch ich zu Weihnachten meine Apfelsine haben müsse. So hatte jeder die seine geschält und eine Scheibe abgetrennt, und die zehn abgetrennten Scheiben hatten sie sorgfältig zu einer neuen, schönen runden Apfelsine zusammengesetzt. Diese Apfelsine war das schönste Weihnachtsgeschenk in meinen Leben.
Sie lehrte mich, wie trostvoll echte Kameradschaft sein kann.

 ;)