Den allseits beliebten SEA habe ich vollständig über Bord gekippt:
Das hat nichts mit beliebt zu tun. Mir fallen eine Menge Bezeichnungen zum SEA ein aber "beliebt" ist gewiß nicht darunter!
Der SEA kann notwendig sein, damit die Wirkung der Glucose aus der Mahlzeit und die Wirkung des Insulins zur gleichen Zeit im Blut auftauchen. Überwiegt die Glucose steigt der BZ, überwiegt das Insulin sinkt er (und kann in einer Hypo enden).
Was passiert: das Essen wandert in den Magen. Ist der BZ vor dem Essen zu hoch, der Magen zu voll oder die Speise zu fettig bleibt die Mahlzeit länger im Magen. Ist der BZ vor dem Essen zu niedrig, die Mahlzeit gering oder flüssig verkürzt das die Verweildauer im Magen.
Vom Magen geht es in den Zwölffingerdarm. Da kommen aus der BSD noch die Enzyme dazu, die die Nahrung weiter aufspalten: Amylasen um die KH zu Einzelbausteinen zu spalten, Lipasen um die Fette zu spalten, Peptidasen um die Proteine zu spalten. Spaltet man sie nicht sind sie zu groß, um vom Darm ins Blut überzugehen. Sind die KHs sehr groß, dann dauert es länger sie aufzuspalten.
Von den Darmzotten, die sehr dicht mit kleinsten Haargefäßen durchzogen sind gelangen die Einzelbausteine (Monosaccharide wie z.B. Glucose) ins Blut => Der BZ steigt.
Das Blut gelangt sehr schnell durch den Körper. Normalerweise pumpt das Herz pro Schlag 70-100 ml = bei einer Herzfrequenz von 80 wären das 5,6 - 8 Liter pro Minute. So dauert es beim Nichtdiabetiker nicht lange, bis das Blut mit dem erhöhten BZ an den Betazellen vorbeifließt, die das merken und entsprechend reagieren. Und "vorgewarnt" wurden sie schon, als die Nahrung im Darm die Bildung des Hormons GLP-1 angestoßen hat. Deswegen können sie gleich eine brauchbare Menge abgeben und müssen nicht erst mühsam etwas bilden (Das ist bei vielen Diabetikern gestört)
Der Insulinpflichtige Diabetiker spritzt sich sein Insulin aber selber. Er muß also einkalkulieren, daß das Insulin nach dem Spritzen erstmal durch umliegendes Gewebswasser verdünnt werden (damit es in ausreichend kleine Einzelbausteine (Monomere) oder Doppelbausteine (Dimere) zerfallen kann) und dann ins Blut abgegeben werden muß. Und das relativ (aber nicht vollkommen!) gleichmäßig.
Man kann zwar nicht in sich reinschauen und nachfragen, wie weit die da unten gerade sind, aber man kann seinen BZ messen. Misst man 60(90 bei Normalinsuin) Minuten nach dem Essen, dann kann man Aussagen zum SEA treffen. Ist der BZ da gegenüber dem BZ vor dem Essen zu hoch, dann war der SEA zu kurz. Das Insulin hatte keine Chance zur gleichen Zeit wie die Glucose aus der Mahlzeit die Ziellinie zu erreichen. Will man das aber erreichen muß man was tun? Richtig: dem Insulin einen Vorspung geben. Also darf das Insulin entsprechend früher in den Körper als die Mahlzeit.
Ist der BZ um diesen Zeitpunkt gegenüber dem Ausgangswert zu niedrig, dann war der SEA zu lang. Hier war es genau anders herum: die Glucose aus der Mahlzeit hatte keine Chance gegen das Insulin.
Ja, aber was ist, wenn ich gar keinen SEA einhalte und das dann trotzdem noch zu einem zu niedrigem BZ nach 60(90) Minuten führt?Auch dann kann man den SEA noch verkürzen. Ist der SEA 20 Minuten und man verkürzt um 10 ist das Ergebnis 10 Minuten. Ist der SEA Null und man verkürzt um 10 Minuten ist das Ergebnis
minus 10 Minuten. Das bedeutet, man spritzt erst 10 Minuten
nach dem Essen.
Um das Ganze optimal aufeinander abzustimmen ist es hilfreich zu wissen, was die beiden Kontrahenten "Glucose" und "Insulin" in ihrer Geschwindigkeit beeinflusst: (Pluszeichen = verlängert; Minuszeichen = verkürzt die Zeit bis zum Eintreffen im Blut)
Glucose:
+ Hoher Ausgangs-BZ (über 160 mg/dl (9 mmol/l)
+ Niedriger GI (Glykämischer Index)
+ Viel Fett in der Mahlzeit
+ Magenentleerungsstörungen
+ großes Mahlzeitenvolumen
- kleines Mahlzeitenvolumen
- flüssige Mahlzeit (->Cornflakes!)
- niedriger Ausgangs-BZ (unter 80 (4,5)
- nach bestimmten Medikamenten (Metoclopramid (Paspertin) beschleunigt die Magen-Beweglichkeit)
Insulin:
+ Tageszeitabhängige Resistenz (ändert nichts an der Resorption aber verbraucht mehr Insulin für die gleiche Wirkung)
+ kalte Umgebung (Unterhautfettgewebe wird weniger gut durchblutet; z.B. im Freien im Winter)
+ Verhärtungen in der Spritzstelle (sog. Lipodystrophien; sind weniger gut durchblutet)
+ Flüssigkeitsdefizit (Dehydratation; ist man ausgetrocknet dauert es länger, bis das gespritze Insulin ausreichend verdünnt ist)
+ starkes Fettgewebe (ist zur Haut hin weniger gut durchblutet)
- warme Umgebung (wenn man z.B. gerade in der Sauna oder einem heißen Bad war; oder auch im Sommer)
- dünnes Fettgewebe (ist besser durchblutet)
- nach körperlicher Aktivität (Haut ist besser durchblutet und Insulin wirkt grundsätzlich stärker
- wenn man versehentlich ein Blutgefäß anpunktiert (dann geht ein Teil des Insulin quasi i.v. ins Blut)
Es hat also nichts mit Beliebtheit zu tun, sondern ist einfach ein Berücksichtigen der physiologischen Gegebenheiten.