Autor Thema: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten  (Gelesen 12419 mal)

Offline Oggy

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 48781
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 3
  • Therapie: Insulin-Pen
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #10 am: Januar 15, 2008, 17:27 »
Hallo Hexe, hallo Siggi,

also - ich bin ja erst seit 04/2007 süß - mir hat man aber beigebracht -  und so mache ich´s auch erfolgreich: ist der BZ 2h nach den Mahlzeiten bei oder über 160 mit 1IE zu korrigieren . Wegen der Nachwirkung des Essensbolus den Zielwert dabei etwas höher ansetzten. Bei 190 also 2 IE Korrektur usw...

Zum postprandialen Messen: das ist aus meiner Sicht sinnvoller - ich hatte über Monate das Problem, dass ich zwar 4h nach dem Essen im Zielbereich von~ 100 war - aber 1-2h nach dem Essen immer jenseits der 250 - hatte sich ziemlich mies auf den 1c ausgewirkt...

Den allseits beliebten SEA habe ich vollständig über Bord gekippt: Grundbolus jeweils zum Essen mit Actrapid, ist Korrektur nötig (nicht oft, aber es kommt vor), dann mit Novo. So bin ich 4h nach dem Essen IMMER im Zielbereich. Aussetzer nach oben gibts selbstredent immer...
Gruß Oggy   DM 3c, HbA1c 5,9

https://www.startpage.com

Fehler sind was für Anfänger - ich bin Profi und verursache Katastrophen

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16968
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #11 am: Januar 15, 2008, 18:29 »
Den allseits beliebten SEA habe ich vollständig über Bord gekippt:

Das hat nichts mit beliebt zu tun. Mir fallen eine Menge Bezeichnungen zum SEA ein aber "beliebt" ist gewiß nicht darunter!

Der SEA kann notwendig sein, damit die Wirkung der Glucose aus der Mahlzeit und die Wirkung des Insulins zur gleichen Zeit im Blut auftauchen. Überwiegt die Glucose steigt der BZ, überwiegt das Insulin sinkt er (und kann in einer Hypo enden).

Was passiert: das Essen wandert in den Magen. Ist der BZ vor dem Essen zu hoch, der Magen zu voll oder die Speise zu fettig bleibt die Mahlzeit länger im Magen. Ist der BZ vor dem Essen zu niedrig, die Mahlzeit gering oder flüssig verkürzt das die Verweildauer im Magen.
Vom Magen geht es in den Zwölffingerdarm. Da kommen aus der BSD noch die Enzyme dazu, die die Nahrung weiter aufspalten: Amylasen um die KH zu Einzelbausteinen zu spalten, Lipasen um die Fette zu spalten, Peptidasen um die Proteine zu spalten. Spaltet man sie nicht sind sie zu groß, um vom Darm ins Blut überzugehen. Sind die KHs sehr groß, dann dauert es länger sie aufzuspalten.

Von den Darmzotten, die sehr dicht mit kleinsten Haargefäßen durchzogen sind gelangen die Einzelbausteine (Monosaccharide wie z.B. Glucose) ins Blut => Der BZ steigt.

Das Blut gelangt sehr schnell durch den Körper. Normalerweise pumpt das Herz pro Schlag 70-100 ml = bei einer Herzfrequenz von 80 wären das 5,6 - 8 Liter pro Minute. So dauert es beim Nichtdiabetiker nicht lange, bis das Blut mit dem erhöhten BZ an den Betazellen vorbeifließt, die das merken und entsprechend reagieren. Und "vorgewarnt" wurden sie schon, als die Nahrung im Darm die Bildung des Hormons GLP-1 angestoßen hat. Deswegen können sie gleich eine brauchbare Menge abgeben und müssen nicht erst mühsam etwas bilden (Das ist bei vielen Diabetikern gestört)

Der Insulinpflichtige Diabetiker spritzt sich sein Insulin aber selber. Er muß also einkalkulieren, daß das Insulin nach dem Spritzen erstmal durch umliegendes Gewebswasser verdünnt werden (damit es in ausreichend kleine Einzelbausteine (Monomere) oder Doppelbausteine (Dimere) zerfallen kann) und dann ins Blut abgegeben werden muß. Und das relativ (aber nicht vollkommen!) gleichmäßig.

Man kann zwar nicht in sich reinschauen und nachfragen, wie weit die da unten gerade sind, aber man kann seinen BZ messen. Misst man 60(90 bei Normalinsuin) Minuten nach dem Essen, dann kann man Aussagen zum SEA treffen. Ist der BZ da gegenüber dem BZ vor dem Essen zu hoch, dann war der SEA zu kurz. Das Insulin hatte keine Chance zur gleichen Zeit wie die Glucose aus der Mahlzeit die Ziellinie zu erreichen. Will man das aber erreichen muß man was tun? Richtig: dem Insulin einen Vorspung geben. Also darf das Insulin entsprechend früher in den Körper als die Mahlzeit.

Ist der BZ um diesen Zeitpunkt gegenüber dem Ausgangswert zu niedrig, dann war der SEA zu lang. Hier war es genau anders herum: die Glucose aus der Mahlzeit hatte keine Chance gegen das Insulin.

Ja, aber was ist, wenn ich gar keinen SEA einhalte und das dann trotzdem noch zu einem zu niedrigem BZ nach 60(90) Minuten führt?

Auch dann kann man den SEA noch verkürzen. Ist der SEA 20 Minuten und man verkürzt um 10 ist das Ergebnis 10 Minuten. Ist der SEA Null und man verkürzt um 10 Minuten ist das Ergebnis minus 10 Minuten. Das bedeutet, man spritzt erst 10 Minuten nach dem Essen.

Um das Ganze optimal aufeinander abzustimmen ist es hilfreich zu wissen, was die beiden Kontrahenten "Glucose" und "Insulin" in ihrer Geschwindigkeit beeinflusst: (Pluszeichen = verlängert; Minuszeichen = verkürzt die Zeit bis zum Eintreffen im Blut)

Glucose:
+ Hoher Ausgangs-BZ (über 160 mg/dl (9 mmol/l)
+ Niedriger GI (Glykämischer Index)
+ Viel Fett in der Mahlzeit
+ Magenentleerungsstörungen
+ großes Mahlzeitenvolumen
- kleines Mahlzeitenvolumen
- flüssige Mahlzeit (->Cornflakes!)
- niedriger Ausgangs-BZ (unter 80 (4,5)
- nach bestimmten Medikamenten (Metoclopramid (Paspertin) beschleunigt die Magen-Beweglichkeit)

Insulin:
+ Tageszeitabhängige Resistenz (ändert nichts an der Resorption aber verbraucht mehr Insulin für die gleiche Wirkung)
+ kalte Umgebung (Unterhautfettgewebe wird weniger gut durchblutet; z.B. im Freien im Winter)
+ Verhärtungen in der Spritzstelle (sog. Lipodystrophien; sind weniger gut durchblutet)
+ Flüssigkeitsdefizit (Dehydratation; ist man ausgetrocknet dauert es länger, bis das gespritze Insulin ausreichend verdünnt ist)
+ starkes Fettgewebe (ist zur Haut hin weniger gut durchblutet)
- warme Umgebung (wenn man z.B. gerade in der Sauna oder einem heißen Bad war; oder auch im Sommer)
- dünnes Fettgewebe (ist besser durchblutet)
- nach körperlicher Aktivität (Haut ist besser durchblutet und Insulin wirkt grundsätzlich stärker
- wenn man versehentlich ein Blutgefäß anpunktiert (dann geht ein Teil des Insulin quasi i.v. ins Blut)

Es hat also nichts mit Beliebtheit zu tun, sondern ist einfach ein Berücksichtigen der physiologischen Gegebenheiten.
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16968
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #12 am: Januar 15, 2008, 18:32 »
wir haben gelernt das man die pp Werte nur beim Tagesprofil nimmt (1x die Woche)

Ja, so hab ich das auch noch gelernt. Plus: bei unbekannten Speisen (um dafür beim nächsten Mal den SEA besser abschätzen zu können)

Zitat
wie verhält man sich nu bei 180? korrigiert man in den laufenden Bolus? oder ignoriert man diesen Wert?

Kommt drauf an wann du misst: bei KIA würde ich frühestens nach 120 Min. korrigieren, bei NI frühestens nach 180 Min. Dann aber auch entsprechend vorsichtiger (indem ich z.B. nicht 100 als Zielwert nehme wie sonst sondern 120).

Das muß aber jeder für sich selbst rauskriegen bzw. mit seinem Arzt besprechen.
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

hws

  • Gast
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #13 am: Januar 15, 2008, 19:03 »
Danke Jörg,
Du hast mich ein ganzes Stück weitergebracht. Ich habe eine Zeit lang meine pp-Werte beobachtet. Jeweils SE-Abstand null wie auch sonst. Selten hatte ich mal einen Anstieg auf >150 mg/dl (jeweils nach einer Stunde).
Aber fast genauso oft war nach einer Stunde der BZ niedriger, als nach 2 Stunden.
Nun ist's mir klar.
Nachmals, danke.

Adeus

HWS

Offline unknown

  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 34574
  • siehe Bild
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #14 am: Januar 15, 2008, 19:53 »
Wer ein Analoginsulin als Bolusinsulin verwendet, wird nicht glücklich wenn er 3 Stunden nach dem Essen bei 140 liegt (vorausgesetzt sein Zielwert liegt eher bei ~100 mg/dl), denn nach 3 Stunden wirkt das Analoginsulin nicht mehr sonderlich...

Viele Grüße, Alf.

Das wird in der Regel wohl so sein wenn man von normalen IE Gesamtdosen für den Bolus ausgeht. Bei Großen Bolusgaben wirken auch Analoginsuline länger.
Als Faustregel setze ich mal 7IE Gesamtdosis = Wirkdauer vom Beipackzettel. 21 IE Gesamtdosis = Doppelte Wirkdauer vom Beipackzettel. Das ist übrings unabhängig ob Analog oder Humansinsulin.

Grüßle

Norbert

Offline MrElch

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 286
  • Country: de
  • Das muß das Boot abkönnen!
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pen
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #15 am: Januar 15, 2008, 22:37 »
Guten Abend...

mal so eine Frage, an die, die jetzt schon lange auf ihre PP-Werte achten und das auch erfolgreich alles einschätzen...

Wie macht ihr das?  :kratz:

Wenn ich das ja recht sehe, sind es viele Faktoren, die das alles beeinflussen...und die sind bei jedem anderen Essen
doch auch anders... Wenn ich meine Essgewohnheiten anschaue... also ich esse viele Sachen nicht, weil sie mir
nicht schmecken... Also andere essen viel vielfertiger als ich...

Es ist jetzt nicht, das ich über meine Werte oder so sprechen möchte... sondern nur vom überlegen her...

Wenn einer sagt, er hätte seit Monaten oder Wochen keine nennenswerten hohen BZ Werte gehabt...
und auch kaum PP-Werte über 140 oder 150... der muß ja seinen Körper mit irgendwelchen Sensoren ausgerüsstet haben...
Schätzt ihr das wirklich nur? Oder wiegt ihr auch? Stellt ihr fest, wieviel Fett oder anderes da drin ist?
Berechnet ihr, oder habt ihr nur Glück, das das fast immer passt?

Oder hilft da der Körper doch auch irgendwie noch weiter mit, auch ohne Insulin, das kleinere Abweichungen nicht schlimm sind?

Naja... eine letzte Möglichkeit wäre, ihr würdet Spock heißen...  ;)

Schöne Grüße

MrElch
"Machen Sie Fotos von einlaufender Besatzung, nicht von auslaufender" - "Wieso das?" - "Weil sie dann Bärte haben."

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16968
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #16 am: Januar 16, 2008, 02:12 »
Wenn ich das ja recht sehe, sind es viele Faktoren, die das alles beeinflussen...und die sind bei jedem anderen Essen
doch auch anders...

Das kannst du in etwa so halten wie mit Dr. Teupes 73 Gründen, warum ein Bolus nicht wie erwartet gewirkt hat (findet man hier).

Die Punkte, die ich da angeführt habe sind oft ein Grund dafür, warum ein SEA nicht wie erwartet funktioniert. Im wesentlichen beachte ich Uhrzeit, Fettgehalt und Ausgangs-BZ. Das ist jetzt auch nicht so, daß ich da immer jeden einzelnen Punkt berücksichtige, sondern aus Erfahrung (nach der Methode "Versuch und Irrtum" gewonnen) weiß, wann ich was brauchen könnte. Und das klappt auch nicht immer, aber meistens.

Zitat
Schätzt ihr das wirklich nur? Oder wiegt ihr auch? Stellt ihr fest, wieviel Fett oder anderes da drin ist?

Besonders Fett schätze ich nur. Abgewogen wird, wenn ich etwas nicht kenne oder gelegentlich mal, um mein Augenmaß zu "eichen".

Zitat
Berechnet ihr, oder habt ihr nur Glück, das das fast immer passt?

Beides. Wobei das "Berechnen" nach langen Jahren Diabetes nicht immer so im Sinne von "Multiplikation BE x Faktor" ist, sondern eher ansehen und wissen, wieviel BE man dafür in etwa braucht. Und ein Quentchen Glück ist sicher auch dabei.

Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

Offline Ufuk

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 411
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #17 am: Januar 16, 2008, 02:26 »
jörg das link ist tot   :nein:   :kratz:

Dr. Teupes 73 Gründen

Offline brain

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 470
    • Mein MTB-Blog
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #18 am: Januar 16, 2008, 08:00 »
Probier mal diesen hier:

73 Gründe

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16968
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Neue Leitlinie empfiehlt Blutzuckerkontrolle nach den Mahlzeiten
« Antwort #19 am: Januar 16, 2008, 14:46 »
Probier mal diesen hier:

73 Gründe

Bei mir funktioniert auch der, den ich gebracht habe. Ist der IE7 doch nicht so übel, hm? :zwinker: ;D
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/