Man kann schlecht den Insulinbedarf ermitteln wenn man nichts schriftliches hat, und dann wird die Therapie schnell eine Art Glücksspiel.
Richtig. Und dazu kann man sagen: je umfangreicher, desto hilfreicher.
Das reine Auslesen der BZ-Geräte bringt meist nicht viel. Da hat man Datum/Uhrzeit/BZ und das wars dann. Ich schalte beim Fernsehen ja auch nicht den Ton Stumm, denn ich will nicht nur sehen
daß sich etwas bewegt sondern auch
warum!.
(Und falls jetzt jemand mit Stummfilmen kommt: selbst da gibt es fast immer an manchen Stellen erklärende Texteinblendungen)
Man könnte jetzt sagen, wenn alles gut läuft braucht man auch nicht andere Facts dazuschreiben. Das ist richtig: wenn es um die reine Doku geht.
Hilfreich wird es aber an den Tagen, an denen es nicht so gut läuft. Da kann man dann zu den guten Tagen zurückblättern und schauen, wie man es da gemacht hat, oder ob da irgendwas anders war.
Und was soll man jetzt alles festhalten?Minimum ist BZ, Kohlenhydrate und Medikamentendosis. Das würde ich immer protokollieren.
Bei unbekannten Gerichten, wo man schätzen muss vielleicht noch in Stichpunkten, was man da probiert hat. Wenn es gut läuft kann man beim nächsten Mal darauf zurückgreifen und wenn es nicht so gut läuft erst recht. Dann kann man nämlich sehen, an welcher Schraube man am besten etwas dreht.
Gerade am Anfang oder bei unbekannten Gerichten würde ich auch SEA/DEA protokollieren. Es ist nämlich nicht immer einfach den richtigen glykämischen Index zu schätzen. Und wenn ich weiß, welchen SEA ich beim letzten Mal angewendet habe kann ich beim erneuten Versuch beurteilen, ob ich den so lasse oder ein bißchen verändere.
Auch äußere Einflüsse können von Interesse sein: was man gemacht hat, wie man sich gefühlt hat, ob es eher warm oder kalt war, ob man vielleicht krank war. Alles das kann Einflüsse auf den BZ haben. (Die Temperatur beeinflusst z.B. die Durchblutung der Haut und somit die Geschwindigkeit, mit der das gespritzte Insulin ins Blut gelangt)
Das hört sich jetzt alles wahnsinnig kompliziert und arbeitsintensiv an. Aber soooo genau braucht man es in der Regel nur am Anfang. Je genauer man da beobachtet und (ganz wichtig!) aus dem Beobachtetem seine Rückschlüsse zieht, desto schneller lernt man die Reaktionen seines Körpers kennen.
Und da kann man manchmal irre Dinge beobachten: wenn ich dies und jenes mache reagiert mein BZ so und so. Manches kann man sich nicht immer erklären (und selbst die Fachleute nicht). Ist aber auch nicht so wichtig. Ich weiß auch nicht in alle Details, warum ein Auto fährt. Hauptsache ich weiß
wie man es fahren sollte.
Mit der Zeit schreibt man dann immer weniger auf. Oder nur in besonderen Situationen (um einen Referenzpunkt zu haben). Dann wird die ganze Dosisbestimmerei weniger ein Rechnen, als vielmehr ein Wissen.
Ich habe z.B. eine 20er Korrekturregel (1 IE senkt den BZ um 20 mg/dl). Trotzdem spritze ich manmal etwas mehr und manchmal etwas weniger, um in meinen Zielbereich zu kommen. Das ist das "Bauchgefühl", das sich durch lange Jahre Beobachten entwickelt hat. Ich berechne dann schon noch die normale Dosis, aber ich weiß ganz einfach, daß ich diesmal etwas mehr/weniger brauche. Und in 99& der Fälle liege ich damit auch goldrichtig.