Autor Thema: Inhalatives Insulin für Diabetiker: Noch keine ausgereifte Alternative  (Gelesen 5688 mal)

Offline Joerg Moeller

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Neue Therapiemöglichkeiten werden in der Medizin immer kontrovers diskutiert. Dies ist natürlich auch der Fall beim inhalativen Insulin, das in diesem Jahr in Deutschland zugelassen wurde. Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem neuen Präparat stellen: Inwieweit können Diabetiker von dieser Alternativen in der Insulintherapie profitieren? Kann das Präparat tatsächlich zu einer Besserung der Lebensqualität führen? Was muss man über dieses Insulin - das über die Lunge in den Körper gelangt - wissen und was ist bei der Anwendung zu beachten?

Normalerweise wird das Hormon Insulin von der Bauchspeicheldrüse ins Blut abgegeben. Es bewirkt, dass der lebenswichtige Nährstoff Zucker aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen werden kann. Bei Menschen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, wird das Insulin nicht in ausreichender Menge produziert. Der Zucker gelangt nicht mehr in die Zellen und seine Konzentration im Blut steigt. In Deutschland gibt es Sechs Millionen Diabetiker - unterteilt werden sie nach Typ 1 und Typ 2. Bei Typ 1 Diabetikern fehlt aus verschiedenen Gründen die Insulinproduktion völlig. Sie müssen von Anfang an Insulin spritzen. Das Hormon wird subkutan - also mit kleinen Nadeln unter die Haut - injiziert. Bei Typ 2 lässt die Insulinproduktion allmählich nach. Diese Diabetesform kann zunächst mit Diät und ausreichender Bewegung behandelt werden. Auch lässt sich anfänglich der Blutzuckerspiegel durch die Einnahme von Tabletten - oralen Antidiabetika - senken. Gelingt es mit diesen Maßnahmen nicht mehr, die gewünschten Blutzuckerwerte zu erreichen, wird mit der Insulintherapie begonnen.

Insulintherapie
Für die Therapie der Diabeteserkrankung stehen heute verschiedene Arten von Insulin zur Verfügung. Normalinsulin hat einen schnellen Wirkungseintritt - nach ca. 15 bis 30 Minuten - und wirkt vier bis sechs Stunden. Bei Langzeitinsulin ist die Wirkdauer durch Zusätze verzögert und beträgt etwa zwölf Stunden. Bei der intensivierten Insulintherapie wird in der Regel morgens und abends ein Langzeitinsulin verabreicht, das den nahrungsabhängigen Insulinbedarf abdeckt - zusätzlich wird vor den Mahlzeiten je nach Blutzuckerwert Normalinsulin gespritzt, um den Blutzuckerspiegel möglichst konstant zu halten. Bei vielen Typ 2 Diabetiker besteht die Therapie häufig lediglich aus ein bis zwei Injektionen Langzeitinsulin pro Tag. "Das neue inhalative Insulin kann bei der Behandlung - unter bestimmten Voraussetzungen - das schnellwirksame Subkutaninsulin ersetzen", erklärt Dr. Birgit Tillenburg, ärztliche Leiterin des klinischen Diabetes-Zentrums am Elisabeth-Krankenhaus Essen. "Eine Kombination mit oralen Antidiabetika oder gespritztem Langzeitinsulin ist möglich."

Spritzenphobie
Die Pharmaindustrie hebt bei der Präsentation ihres neuen Produktes besonders hervor, dass viele Menschen Hemmungen hätten, sich selbst zu mit einer Spritze zu stechen: Dadurch könne bei Typ 2 Diabetikern wertvolle Zeit verloren gehen, bevor mit einer Insulintherapie begonnen würde. Diplom-Pädagoge Rainer Paust, Autor des Ratgebers "Selbstbewusst mit Diabetes" und seit 17 Jahren im Schulungsbereich des Essener Diabetes-Zentrums tätig, kann dies nicht bestätigen: "Die Gruppe derjenigen, die tatsächlich eine solche Hemmschwelle haben, ist sehr klein. Es sind zumeist Patienten, die noch keine oder nur sehr wenig Informationen erhalten haben. Eine gute Aufklärung baut bestehende Ängste ab. Die wenigsten Patienten haben nach einer ausführlichen Anleitung ein Problem damit, sich selbst zu stechen."

Mit inhalativem Insulin lässt sich die Zahl der Injektionen zwar reduzieren, jedoch nicht vollständig vermeiden. Da das neue Produkt lediglich die bedarfsabhängigen Spritzen vor den Mahlzeiten abdeckt, muss die Versorgung mit Langzeitinsulin weiterhin per Injektion erfolgen. Anzumerken ist hier, dass eine Umstellung zur Insulintherapie bei Typ 2 Diabetikern in der Regel zunächst mit Langzeitinsulin begonnen wird. Auch im Rahmen der Blutzuckerkontrolle müssen sich Diabetiker mehrmals täglich stechen. "Besteht tatsächlich eine Phobie vor Spritzen, sollte diese im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung abgebaut werden", so Paust.

Auch den verbesserten Patientenkomfort führen die Hersteller als Vorteil des neuen Insulins an: Es sei ein qualitativer Unterschied, ob jemand mehrmals am Tag Insulin aufziehen und spritzen müsse oder es ohne große Vorbereitung inhalieren könne. "Doch Spritze ist nicht gleich Spritze", meint Paust. "Die heutigen Injektionshilfen haben nur noch wenig mit der herkömmlichen Spritze zu tun. Die meisten Diabetiker benutzen einen Insulin-Pen. Diese kugelschreibergroße Injektionshilfe gibt bei Knopfdruck über eine dünne Nadel die gewünschte Insulindosis ab - die Bedienung ist einfach und Injektionen können so bequem und sehr unauffällig erfolgen"

Sichtbare Insulinwolken
Wer sich dennoch für das neue Präparat entscheidet, sollte einiges über die Anwendung wissen. Dr. Tillenburg: "Inhalatives Insulin ist ein Trockenpulver, das nur mit dem dafür vorgesehenen Inhalationsgerät verabreicht werden darf. Nur so ist eine präzise Dosierung möglich. Das Gerät braucht weder Batterie noch Netzanschluss und besteht aus einer durchsichtigen Kammer und einer Vorrichtung, welche das Insulin freisetzt. Mit Hilfe dieser so genannten Insulin-Freisetzungs-Einheit wird eine sichtbare Wolke aus Insulin in der Kammer erzeugt. Diese wird mit einem tiefen Atemzug durch den Mund inhaliert. Dabei kann der Anwender beobachten, wie der Insulinstaub aus der Kammer verschwindet. Die Partikel gelangen nach der Inhalation in die unteren Atemwege, wo sie schnell ins Blut aufgenommen und dann zu den Körperzellen transportiert werden. Die Anfangsdosis und weitere Gaben sollten genau wie bei der herkömmlichen Insulintherapie durch den Arzt festgelegt und entsprechend der Anforderungen des Patienten angepasst werden."

Was die Wirkdauer des inhalativen Insulins betrifft, so ist sie vergleichbar mit Normalinsulin. Der Wirkungseintritt bei dem neuen Präparat erfolgt jedoch schneller. "Aufgrund des raschen Wirkungseintrittes sollte es etwa zehn Minuten vor einer Mahlzeit inhaliert werden", so Tillenburg. "Unterzuckerungen sind bei der inhalativen Insulintherapie - wie auch bei der herkömmlichen - eine der häufigsten Nebenwirkungen. Ob sich aus dem schnelleren Wirkungseintritt ein erhöhtes Unterzuckerungsrisiko ergibt, ist laut neuer Studien nicht erkennbar. Vorteile bezüglich der Blutzuckereinstellung lassen sich bei der neuen Verabreichungsform bisher nicht erkennen. Die Studien belegen hier, dass sich der HbA1c-Wert - der Laborwert, mit dem die Stoffwechsellage der letzten Wochen beurteilt werden kann - sich bei der Therapie mit inhalativem und gespritztem Insulin nicht unterscheidet. Der einzige wirkliche Vorteil des neuen Produktes macht sich laut der Studien beim Körpergewicht bemerkbar. Zu Beginn einer Insulintherapie ist Gewichtszunahme ein häufiges Phänomen. Im Vergleich zum herkömmlichen erhöht sich das Gewicht beim neuen Insulin in der Regel etwas weniger. Der Grund hierfür ist derzeit noch unklar."

No Smoking
Im Allgemeinen scheint inhalatives eben so gut verträglich zu sein wie gespritztes Insulin. Die einzige Nebenwirkung, die häufiger genannt wird, ist ein leichtes, vorübergehendes Husten nach der Inhalation. Die Neuentwicklung ist allerdings nicht für jeden Diabetiker geeignet. Die Verträglichkeit wurde bisher nur bei Erwachsenen geprüft. Das Insulin ist deshalb nicht für die Therapierung von Kindern und Schwangeren zugelassen. "Für Raucher ist das neue Produkt nicht geeignet, da Rauchen zu einer stark erhöhten Aufnahme des Insulins in der Lunge führt", erklärt Tillenburg. "Raucher müssen deshalb mindestens sechs Monate vor Behandlungsbeginn abstinent sein. Auch Patienten mit Lungenemphysem, Bronchitis, Asthma oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung - kurz COPD - sind von der Therapie ausgeschlossen. Bei allen Personen, die eine Behandlung mit dem neuen Insulin beginnen wollen, sollte zunächst ein Lungenfunktionstest durchgeführt werden, dem dann in regelmäßigen Abständen Kontrollen folgen."

Vielleicht irgendwann
Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat das inhalative Insulin im Vergleich zu herkömmlichen Produkten bewertet und dabei keine wesentlichen Vorteile festgestellt: Personen, die das neue Insulin benutzen, sollten nicht davon ausgehen, dass das Mittel gesundheitliche Vorzüge gegenüber der bewährten Insulininjektion biete. Wie sich das regelmäßige Einatmen von Insulinstaub langfristig auf die Lunge auswirke, sei außerdem noch offen. Auch die Kosten-Nutzen-Effektivität wird vom IQWiG kritisch gesehen. Dass die Behandlung wesentlich teurer ist als eine herkömmliche Therapie, dürfte einem breiten Einsatz zukünftig auch eher im Wege stehen. Trotz der kritischen Haltung der IQWiG wird sich das inhalative Insulin - wenn keine Nebenwirkungen in der Breitenanwendung bekannt werden - sicherlich auf dem Markt etablieren, weiter entwickelt werden und vielleicht zukünftig eine echte Alternative in der Diabetesbehandlung sein.

Quelle: EKE-Pressemitteilung (www.elisabeth-essen.de)
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Offline Atomi

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Hi Jörg,

inhalatives Insulin wird nie eine Alternative sein, denn die antigene Wirkung ist viel zu hoch.

Grüße, Daniela
Ich spritz Schwein und mein Hirn ist rein :)

Offline Joerg Moeller

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Ich seh darin einen Therapievorteil von nahe Null. Stechen muß man sich eh (entweder zum Testen oder für's Basal).

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Schnurble

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Ausserdem ist es sicher zu teuer - würde mich nicht wundern wenn Sawicki&Co das als nächstes von der Liste der verschreibungsfähigen Insuline streichen... Und hätten ausnahmsweise mal recht, das hat wirklich keinen Vorteil gegenüber Spritzeninsulin.

LG,
Anja

Offline Archchancellor

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Ich seh darin einen Therapievorteil von nahe Null. Stechen muß man sich eh (entweder zum Testen oder für's Basal).
Für das Basale mit Sicherheit,
Jedoch nur ein mal und den Rest des Tages decke ich mit dem inhalierten ab.
==> daraus würde ich einen Vorteil sehen.
Als Pumpenträger wäre es jedoch nichts für mich.

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Offline Joerg Moeller

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Jedoch nur ein mal und den Rest des Tages decke ich mit dem inhalierten ab.
==> daraus würde ich einen Vorteil sehen.

Du kannst da wählen zwischen 3 IE pro Dosis oder 8 IE. Was, wenn du zum Essen 7 IE brauchst? :zwinker:
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Offline Archchancellor

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Die eine Einheit.
Ok, könnte noch verbesser werden. Wollte ja auch nicht sagen das es das non plus ultra ist, sondern nur auf evtl. Vorteile für Personengruppen aufmerksam machen.

Archchancellor
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