Autor Thema: Extremes Dawn-Phänomen  (Gelesen 13597 mal)

Offline zreptil

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Extremes Dawn-Phänomen
« am: Mai 15, 2006, 08:22 »
Hallo Leute,

ich hab mal wieder eine Frage. Vielleicht sind hier Fachleute, die mir helfen können.

Ich hatte vor etwa einem Monat eine Ketoazidose. Ich wurde dann im Krankenhaus wieder auf die Beine gestellt und mir wurden BE-Faktoren und Basal-Raten genannt, die ich verwenden soll. Natürlich mit entsprechender Schulung, damit ich die Faktoren gegebenenfalls korrigiere. Das mache ich auch fleissig. Dazu sollte ich vielleicht noch sagen, dass ich seit 1996 Diabetes Typ 1 habe und die Ketoazidose durch monatelange Unachtsamkeit selbst verschuldet habe. Sowas soll nicht nochmal vorkommen.

Jetzt ist es bei mir nur so, dass mein Blutzucker morgens irrsinnig hoch ansteigt. Ich stehe normalerweise um 5:45 Uhr auf und habe mir inzwischen angewöhnt um 7:00 Uhr zu essen. Wenn ich aufstehe messe ich den Blutzucker und habe dann meistens Werte zwischen 90 und 100, also im Zielbereich. Nächtliche Unterzuckerungen kommen nicht vor, das überprüfe ich manchmal. Wenn ich dann um 7:00 Uhr zur Berechnung der Insulindosis messe, dann habe ich meistens so um die 220 rum. Und zwar ohne etwas gegessen zu haben. Wenn ich erst um 8:00 Uhr essen würde (habe ich nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde gemacht), dann hätte ich da Werte zwischen 260 und 300.

Der Blutzuckeranstieg kommt ja soweit ich weiss daher, dass der Körper mit Adrenalin und Cortison "hochgefahren" wird, wenn er merkt, dass er aufwachen soll. Ich wache auch schon vor dem Wecker auf, weil ich schon seit Jahren um die Zeit aufstehe. Aber wieso kriege ich diese hohen Zuckerwerte nicht runter? Ich spritze zur Zeit um 22:00 Uhr 14 Einheiten Levemir. Diese Zeit hatte ich auch schon vorverlegt auf 20:00 Uhr, was aber nichts gebracht hat. Das andere Extrem bei diesen hohen Werten ist nämlich, dass ich dann Mittags immer dicht vor dem Unterzucker oder sogar im Unterzucker bin. Daran hat auch eine Anpassung der BE-Faktoren nichts geändert. Und zwar beginnt die Talfahrt dann immer so zwischen 10:00 Uhr und 10:30 Uhr. Da stürzt der Blutzucker dann von über 200 auf unter 100 ab, und zwar innerhalb einer Stunde.

Kann mir irgendjemand erklären, was ich dagegen tun kann? Einerseits stören mich die hohen Werte morgens, andererseits dieser rapide Absturz gegen Mittag.

Was mich in dem Zusammenhang noch interessiert ist, ob es irgendwo Informationen zur Wirkungskurve von Insulin (NovoRapid und Levemir) gibt, und zwar Dosisabhängig. Soweit ich weiss hängt der zeitliche Verlauf ja auch von der Höhe der Dosis ab.

Und noch eine Frage habe ich: Es heisst überall, man soll vor dem Schlafengehen messen und um nächtliche Unterzuckerungen auszuschliessen um 3:00 Uhr nochmal. Dabei fällt mir auf, dass die Uhrzeit 3:00 Uhr überall propagiert wird, aber auf der Gegenseite immer von "vor dem Schlafengehen" gesprochen wird. Ist es wirklich egal, ob ich um 20:00 Uhr schlafen gehe oder um 24:00 Uhr? Ist 3:00 Uhr ein magischer Zeitpunkt zu dem irgendwelche biologisch auf diese Uhrzeit festgenagelten Dinge passieren?

Würde mich freuen, wenn ihr mir weiterhelfen könntet, denn mir und meinen Diabetologen gehen langsam die Ideen aus. Und noch ein kleiner Hinweis am Rande: Ich bin nicht an einer Insulinpumpe interessiert, solange ich nicht weiss, woher dieser Blutzuckeranstieg kommt. Ich halte nämlich nichts davon blind Symptome zu bekämpfen, ich muss verstehen, warum etwas so läuft wie es läuft. Dann lasse ich mit mir gerne über Behandlungsmethoden reden. Es wäre toll, wenn mir jemand da neue Denkanstösse geben könnte, um das zu verstehen.

LG Andi
Typ I seit 01.01.1996, CSII, Accu-Chek Spirit, Apidra

Schnurble

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #1 am: Mai 15, 2006, 08:48 »
Hallo Andi,

Wie ist das eigentlich, wenn Du nicht so zeitig aufstehst? Steigt Dein BZ dann trotzdem zwischen 5:45 und 7:00 an, oder erst, nachdem Du (später) aufgestanden bist?

Das Dawn-Phänomen ist ja, dass der BZ x Stunden nach dem Schlafengehen wieder ansteigt, egal ob man da aufsteht oder nicht. Andereseits gibt es aber auch das Phänomen (keine Ahnung, ob es dafür auch einen Namen gibt), dass der Körper direkt zum Aufstehen mehr Insulin braucht, dann steigt der Zucker dann an, wenn Du aufstehst. Und wenn Du später aufstehtst, dann kommt auch dieser Anstieg entsprechend später.

Auf jeden Fall könntest Du direkt nach dem Aufstehen etwas kurzwirksames Insulin spritzen, um den Anstieg bis zum Frühstück abzufangen.

Dosisabhängige Wirkkurven zum Insulin werden wohl sehr schwer zu finden sein. Zum einen wird das von den Herstellern meistens unter den Tisch gekehrt/vergessen, dass die Wirkdauer auch von der Dosis abhängt, und zweitens ist es eh bei jedem ein wenig anders, da hilft wohl nur ausprobieren und messen...

Die Angabe 3:00 ist wohl eher ein grober Richtwert. Bei mir ist z.B. immer um 2:00 der Tiefpunkt gewesen, als ich noch keine Pumpe hatte, da war die evtl. Hypo um 3:00 längst vorbei. Wie Du bereits schriebst, hängt das auch davon ab, wann man schlafen geht.

LG,
Anja

Offline Kalo

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #2 am: Mai 15, 2006, 08:57 »
Hallo Andi,

auch ich habe morgens einen rasanten Anstieg des Blutzuckers und einen irren hohen Faktor von 8, der aber einen Aufsteh-Gupf beinhaltet. Ich habe mir folgendes angewöhnt: Ich stehe werktags normalerweise um 6:30 Uhr auf, messe einen Nüchternblutzucker von 90-100  :banane: und spritze dann sofort meine 16 Einheiten Insulin, weil ich 2 BE esse. Dann gehe ich aber erst duschen und esse die 2 BE erst ca. eine halbe Stunde später. Dadurch vermeide ich den starken Anstieg. Test haben ergeben, dass ich nach dem Aufstehen 8 Einheiten Insulin spritzen kann, die dann den BZ konstant halten, ohne dass ich überhaupt etwas esse.

Gruß
Kalo

Offline Hexe

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #3 am: Mai 15, 2006, 09:00 »
Name   Einheiten   Beginn   Ende   Varianz
            
Actrapid   6 E   ½ Std.   4,4 Std.   3,3 - 5,5 
NORMAL   12 E   ½ Std.   5,4 Std.   4,75 - 6,7
              24 E    ½ Std.         8 Std.    6,0 - 10,0
            
Insulatard   6 E   2,5 Std   8,4 Std.   6,3 - 10,5
BASAL   12 E   2,5 Std   10,8 Std.   8,1 - 13,5
         24 E       2,5 Std     13,2 Std.       9,9 - 16,5
         40 E      2,5 Std     16,8 Std.        16,6 - 20,2

Hallo Andi,

es gibt solche Tabellen ich weiss nicht mehr genau wo ich das gefunden habe, aber ich glaube auf den Einsteiger Seiten hier vom Forum:http://www.einsteiger.diabetesinfo.de/ ( ich weiss leider nicht wie man links einfügt), aber da kann Jörg vielleicht was dazu sagen, ich hatte mir nur den Teil kopiert den ich brauchte, habe ich dir mal oben in diesem Beitrag versucht einzufügen, im übrigen ist das bei mir auch so das der BZ auch ohne zu Essen hochgeht  morgens, ich spritze immer gleich nach dem aufstehen ( ohne zu Essen), die Menge habe ich ausprobiert.

liebe Grüsse Vera
Typ2  zur Zeit Toujeo, Jardiance, Novorapid

Offline zreptil

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #4 am: Mai 15, 2006, 09:15 »
Wie ist das eigentlich, wenn Du nicht so zeitig aufstehst? Steigt Dein BZ dann trotzdem zwischen 5:45 und 7:00 an, oder erst, nachdem Du (später) aufgestanden bist?

das mit dem Aufstehen kann ich inzwischen gar nicht mehr anders. Wenn ich wach bin, dann schlafe ich so schnell nicht mehr ein. Ist bei mir einfach so. Ich stehe am Wochenende zwar etwas später auf, so gegen 6:15 Uhr, also eine halbe Stunde später, aber auch da ist der Blutzucker schon steigend. Da habe ich dann meist schon Werte zwischen 160 und 200.

LG Andi
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guest704

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #5 am: Mai 15, 2006, 11:38 »
Hast du mal versucht die Langzeitinsulin Injektion nach hinten zu verschieben also vielleicht auf 0 Uhr oder so? Das hatte mein Arzt mir damals empfohlen, so spät wie möglich zu spritzen, dann hast du morgens mehr Insulin. Sonst kann ich dir nur sagen, denk am Besten über eine Insulinpumpe nach, ich habe auch ein Dawn-Phänomen, und man kann das mit einer Pumpe super bekämpfen. Ich denke die Pumpe ist da das einzige was wirklich hilft, weil man das richtig genau einstellen kann.

Stehst du so früh auf, weil du zur Arbeit musst, oder nur um den BZ zu bekämpfen? Wenn du zur Arbeit müsstest wäre es sicher keine Alternative um 0Uhr oder 1Uhr Langzeitinsulin zu spritzen.... da würde dann nur eine Pumpe helfen...

Offline zreptil

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #6 am: Mai 15, 2006, 11:52 »
Hast du mal versucht die Langzeitinsulin Injektion nach hinten zu verschieben also vielleicht auf 0 Uhr oder so? Das hatte mein Arzt mir damals empfohlen, so spät wie möglich zu spritzen, dann hast du morgens mehr Insulin. Sonst kann ich dir nur sagen, denk am Besten über eine Insulinpumpe nach, ich habe auch ein Dawn-Phänomen, und man kann das mit einer Pumpe super bekämpfen. Ich denke die Pumpe ist da das einzige was wirklich hilft, weil man das richtig genau einstellen kann.

Stehst du so früh auf, weil du zur Arbeit musst, oder nur um den BZ zu bekämpfen? Wenn du zur Arbeit müsstest wäre es sicher keine Alternative um 0Uhr oder 1Uhr Langzeitinsulin zu spritzen.... da würde dann nur eine Pumpe helfen...

Ich stehe so früh auf, weil ich zur Arbeit gehe und weil ich eh nie lange schlafe. Ich denke, ich werde mal das mit dem Bolus nach dem Aufwachen probieren. Gegen Pumpe habe ich bisher noch einige Bedenken. Ich dusche jeden morgen, was bei mir bedeuten würde, dass ich jeden Tag den Katheder neu legen muss. Dann hatte ich schon zwei Operationen wegen Lipomen, was durch ständiges Verwenden der gleichen Einstichstellen verursacht wurde. Ich weiss nicht, ob die Pumpe nicht auch wieder sowas hervorruft. Ausserdem bin ich mir nicht sicher, ob ich nachts mit der Pumpe zurecht komme. Das alles hält mich bisher davon ab, das zu versuchen. Vielleicht später einmal, aber zunächst will ich den Zucker so in den Griff kriegen. Das muss ja irgendwie möglich sein, auch wenn einem die Industrie und die Ärzte sagen, dass das einzige was hilft, die Pumpe wäre.

Auf alle Fälle vielen Dank für die Tips. Vielleicht krieg ich das mit einer Spritze direkt nach dem Aufwachen in den Griff.

LG Andi


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Schnurble

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #7 am: Mai 15, 2006, 12:20 »
Ich stehe am Wochenende zwar etwas später auf, so gegen 6:15 Uhr, also eine halbe Stunde später, aber auch da ist der Blutzucker schon steigend. Da habe ich dann meist schon Werte zwischen 160 und 200.

Das klingt dann tatsächlich mehr nach Dawn als nach Aufstehbolus. Aber wenn Du eh wach bist, sollte das mit einer Injektion gleich beim Aufstehen ja kein Problem sein.

Du musst übrigens zum Duschen nicht den Kathter wechseln, einfach die Pumpe abkoppeln und mit Katheter duschen geht auch. Bei mir ist das Dawn-Phänomen mit der Pumpe sogar verschwunden, ich brauche gegen Morgen nicht mehr Insulin als über die Nacht :)

Aber ich drücke Dir die Daumen, dass Du die Werte erstmal mit ICT in den Griff bekommst.

LG,
Anja

Offline Angela

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #8 am: Mai 15, 2006, 12:39 »
Der Blutzuckeranstieg kommt ja soweit ich weiss daher, dass der Körper mit Adrenalin und Cortison "hochgefahren" wird, wenn er merkt, dass er aufwachen soll. Ich wache auch schon vor dem Wecker auf, weil ich schon seit Jahren um die Zeit aufstehe. Aber wieso kriege ich diese hohen Zuckerwerte nicht runter? Ich spritze zur Zeit um 22:00 Uhr 14 Einheiten Levemir. Diese Zeit hatte ich auch schon vorverlegt auf 20:00 Uhr, was aber nichts gebracht hat. Das andere Extrem bei diesen hohen Werten ist nämlich, dass ich dann Mittags immer dicht vor dem Unterzucker oder sogar im Unterzucker bin. Daran hat auch eine Anpassung der BE-Faktoren nichts geändert. Und zwar beginnt die Talfahrt dann immer so zwischen 10:00 Uhr und 10:30 Uhr. Da stürzt der Blutzucker dann von über 200 auf unter 100 ab, und zwar innerhalb einer Stunde.
Jaja das kenne ich auch. Das Problem hat sicher mit Levemir zu tun, weil ich das habe seit ich Levemir nehme. Es wirkt leider nicht 12 Stunden - ich spritze es 2x - gleichmäßig. Ich hatte es früher immer um 19:00 und 7:00 gespritzt. Dann hatte ich das auch das ich in der früh immer sehr hoch war. Dann hab ich lange herumexperimentiert und jetzt spritze ich um 20:00 und um 7:00. Und das funktioniert bei mir jetzt besser. Ich hab aber auch niedrige Werte so gegen 14:00 und gegen 20:00 eher hoch. Aber nicht so extrem wie früher. Da war es in der früh echt oft schlimm. Versuch mal ein paar Spritzzeiten aus. Spritzt du nur 1x oder 2x?
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Offline Joerg Moeller

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Re: Extremes Dawn-Phänomen
« Antwort #9 am: Mai 15, 2006, 12:54 »
es gibt solche Tabellen ich weiss nicht mehr genau wo ich das gefunden habe, aber ich glaube auf den Einsteiger Seiten hier vom Forum:http://www.einsteiger.diabetesinfo.de/ ( ich weiss leider nicht wie man links einfügt), aber da kann Jörg vielleicht was dazu sagen,

Nein, von mir hast du das sicher nicht, weil ich mich hüten würde solche Tabellen ins Netz zu stellen. Wenn ich das richtig überwache, dann könnte ich eine solche Tabelle für mich persönlich erstellen, aber auch das würde ich nicht machen, weil das von zu vielen Variablen abhängt.
(Hormone, Umgebungstemperatur, Körpertemperatur, Streßlevel, Ausgangs-BZ, Fettsäurespiegel usw.)
Das sind zuviele Punkte, die sich dann auch noch ständig ändern können.
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