Hallo,
ihr seid ja eigentlich quasi mit dem thread schon ein bisschen woanders gelandet inzwischen. aber trotzdem würde ich gerne noch was dazu sagen. Dafür habe ich mich sogar extra gerade erst registriert
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also, ich wollte gerne loswerden, dass ich sehr froh bin, den thread nicht nach den ersten postings schnell wieder verlassen zu haben, obwohl mir zunehmend danach zu Mute war. Froh bin ich deshalb, weil ich dann nicht irgendwann endlich auf das erste posting von Jörg gestoßen wäre und darin etwas 'Trost' oder Beruhigung gefunden hätte.
Ich war ehrlich gesagt ziemlich entsetzt, wie wenig Verständnis einige hier für Menschen übrig haben, die nicht mal eben so mit ein bisschen "man muss nur wollen" all ihre Probleme in den Griff kriegen! Erstaunt war ich auch, als es dann hieß, die Beispiele von Jörg seien ja nur Extremfälle. Was bitte ist denn ein Extremfall, wenn nicht ein Mensch der 150kg wiegt?
Ich gehöre (leider) auch zu den Menschen, die trotz durchaus ausreichender intellektueller Ausstattung und einem sehr starken Willen gepaart mit großer Disziplin in allen möglichen anderen bereichen meines Lebens, quasi komplett versagt, wenn es um meinen Diabetes und mein Essverhalten geht.
Und es ist tatsächlich so, dass ich mich unheimlich vor den Kopf gestoßen fühlte, als ich hier die scheinbar gedankenlosen Äußerungen über die wohl verdummten, unbelehrbaren und gefräßigen Dicken in dieser Veranstaltung las. Es wäre ja so einfach, wenn sie doch nur wollten!
Ich kenne die beiden geschilderten Leute nicht und kann daher nur für mich sprechen: Das sind genau die Sätze, die ich Zeit meines Lebens zu hören bekommen habe und immernoch bekomme! Und das macht mich traurig und wütend gleichzeitig.
Woher will das denn jemand wissen, warum ich so bin wie ich bin und ob das so leicht mit etwas Bewegung und einer kleinen Ernährungsumstellung aus der Welt zu schaffen wäre?
Ich persönlich bin nämlich z.B. genau mit den hohen Anforderungen, die der Diabetes an mich stellt, seit ich mit 2 daran erkrankt bin, offenbar völlig überfordert. Ich kann die Krankheit heute noch nicht für mich akzeptieren, kämpfe täglich gegen diesen Teil von mir und zerstöre mich dabei wohl sehenden Auges nach und nach. Noch habe ich (aus welchem Grund auch immer und viele werden das jetzt sicher ungerecht finden) keine eindeutigen Folgeschäden. Aber seit ich denken kann, lebe ich in der Angst, jeden Tag könnte es soweit sein und es geht los in Richtung Dialyse, Amputation, Erblindung usw..
Ich habe in meiner Jugend eine Essstörung entwickelt (das sog. Binge Eating), da ich nie ein natürliches Essverhalten kennengelernt habe. Irgendwann konnte ich nur noch durch übermäßiges Essen meinen Alltag einigermaßen bewältigen, ohne völlig zusammenzuklappen bzw. durchzudrehen. Ich habe mich nur noch gespürt, wenn mein Bauch so voll war, dass es (fast) wehtat - und sich/den Körper nicht mehr zu spüren ist ein ziemlich gruseliges Gefühl kann ich euch sagen...
Heute habe ich ungefähr 50 kg Übergewicht und wäre bestimmt eine von der viele hier denken/sagen würden: "Wie kann man sich nur so gehenlassen!" Aber genau das habe ich versucht nicht zu tun. Ich habe mit den einzigen Mitteln gekämpft, die ich in dem Moment zur Verfügung hatte, um irgendwie über die Runden zu kommen. Gerade weil ich es schaffen wollte!
Ich mache inzwischen meine dritte Psychotherapie, verteilt über die letzten 15 Jahre und ich gebe nicht auf. ich will es schaffen und wie schon jemand hier sagte, es geht eben nur in kleinen, manchmal winzigen Schritten.
Was mir dabei Mut macht, sind solche Leute wie Jörg und einige andere hier, die sehen, was für ein K(r)ampf oftmals dahinter steckt, wenn einer so aus dem Rahmen fällt.
Dafür vielen Dank!
dramaqueen
P.S.: sorry, dass es so lang wurde...