Vielen Dank, Corinna, du sprichst mir aus der Seele!
Lieber Oliver2,
hiermit spreche ich dich offiziell an und bitte dich zu akzeptieren, daß ich versuche, meine Erfahrungen (und davon habe ich nach 32 Jahren DM1 ne Menge!) nicht hochwissenschaftlich, sondern mit meinen eigenen Worten wiederzugeben. Die meisten Menschen haben nicht Medizin oder Biochemie studiert und wollen auch nicht wirklich alle Vorgänge bis ins letzte chemische Element beschrieben haben.
Leider hast du auf fast alle meine Beiträge Antworten geschrieben, die ich als sehr verletzend empfunden habe, da du einfach mit einem Federstrich die von mir ja persönlich gemachten Erfahrungen als unmöglich, falsch oder gar Einbildung bezeichnet hast.
Klar bastelt man sich sein eigenes Modell, wenn die Ärzte nur am Schulterzucken sind. Wenn es funktioniert, ist es doch in Ordnung, oder? Ich glaube nicht, daß man für wirklich alles die wissenschaftliche Grundlage braucht. Außerdem ist der menschliche Organismus dazu immernoch viel zu wenig erforscht!
Mir ist völlig klar, daß ich nur subjektiv meine Erfahrungen schildern kann. Daß wir nicht so funktionieren, wie es in Lehrbüchern beschrieben ist, kannst du hier im Forum überall lesen. Aber Erfahrungsaustausch heißt halt Austausch der persönlichen Erfahrungen. Ich kann auch nur auf der Basis meiner Erfahrungen berichten oder Tipps geben.
Ich habe nicht Medizin studiert, aber mich von Anfang an mit MEINEM DM intensiv beschäftigt. Ich denke, man kann durch Selbstbeobachtung eine Menge lernen. Offenbar hast du deinen DM erst im Zeitalter der BZ-Selbstkontrolle bekommen. Ich war da schon ein paar Jahre früher mit beschäftigt. Da konnte man nur durch Selbstbeobachtung lernen, wie der Körper auf Insulin und Essen reagiert, denn als einziges Kontrollmittel für zuhause gabs die Urinzuckerkontrolle oder halt mal ein Tagesprofil im Krankenhaus.
Wie ich schon schrieb, wenn bei dir alles nach Plan und Regel klappt, dann sei froh! Aber denke bitte daran, daß es hier sehr viele gibt, die nicht nur den DM mit sich herumschleppen, sondern auch noch ein paar andere Päckchen zu tragen haben.
Und wenn man den DM allein sieht: Schau dir mal die Geschichte der DM-Therapien an. In den letzten 30 Jahren gab es da ganz schön viele Kehrtwendungen, die ich zum Teil am eigenen Körper erfahren durfte. Ich konnte zum Beispiel nie gut finden, daß ich einen festen Kostplan hatte und jeden Tag (egal was ich vorhatte oder wie es mir ging) die gleiche Menge essen musste, egal ob ich Hunger hatte oder nicht, da damals die Insulinmenge streng am Essen hing und nicht verändert werden durfte. Und was habe ich gemacht? (natürlich die anderen auch!) Auf eigene Faust ausprobiert, wieviel ich für mehr oder weniger Essen (oder auch die streng verbotenen Dinge wie Eis oder Kuchen) spritzen mußte, damit später kein Zucker im Urin war. Ich habe 1974 DM1 bekommen, da war Zucker im Essen strengstens verboten! Damals durften wir auch kaum Butter essen, seitdem kriege ich keine Margarine mehr runter
Ich habe gelernt, das Leben mit Humor zu nehmen. Wenn mal irgendwas schief geht, dann muß man trotzdem das Beste daraus machen. Und das "jeder Mensch ist anders" was ich mal in irgendeinem Beitrag geschrieben habe, hat nun wirklich nichts mit Resignation zu tun, sondern ist eine Tatsache. Viele Sachen die ich schrieb, z.B. daß Insulin bei mir nie so wirkte, wie es der Hersteller beschreibt, weiß ich deshalb, weil ich früher zu DDR-Zeiten an einigen Forschungsreihen teilgenommen habe. (Zentralinstitut für Diabetes "Gerhard Katsch" in Karlsburg) Allerdings habe ich damit aufgehört, als andere als Insulintester mit den ersten Nebenwirkungen zu kämpfen hatten.
Und um Corinnas Worte noch zu erweitern: auch heute ist der Stoffwechsel nicht komplett erforscht. Wir schauen immer noch durch ein kleines Loch in der vereisten Scheibe auf den Organismus. Klar, das Loch ist schon viel größer als noch vor 10, 20 oder 30 Jahren! Es wird sicher noch einige Zeit vergehen, bis der Mensch die letzten Geheimnisse seines Funktionierens preisgibt. Komischerweise kenne ich sogar Diabetiker, die seit 50 Jahren DM1 haben. Wenn die Therapien, die früher angewendet wurden, so grundfalsch waren, warum haben die Leute dann solange überlebt, ohne daß sie von Lipolyse und Ketoazidose, Basalrate und was weiß ich noch wußten?
(das ist ein Scherz!)
Wißt ihr, welche Eigenschaft ich an Menschen am meisten mag? Toleranz!
In diesem Sinne
LG Ulrike