Autor Thema: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel  (Gelesen 2894 mal)

Offline Floh

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 516
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Ich hab eine schöne Geschichte vom Wochenende für euch. Die will ich erstens niemandem vorenthalten, zweitens gibt es lehrreiches für alle Altersgruppen.

Vorwort: (wartet mal ab.. das Kinde lernt derzeit Erzählungen im Deutschunterricht.. mal schauen was bei mir hängen geblieben ist)

Hier steht dann häufig ein Zitat von einem großen Schriftsteller. Shakespear oder Tolstoi oder Mao oder so. Ich nutze einen Post von LordBritish

Zitat
Messen ist schon völlig OK, doch sollte man unabhängig von dem Wert auch seinen Gefühl trauen in Verbindung mit dem Wert.

Beim Blutzucker hatte ich öfters schon mal gedacht der Wert passt nicht, eigentlich fühle ich mich Hypo.
Die Anzeige zeigte jedoch einen Wert im Normbereich an... trotz Händewaschen und erneuter Messung.

Wenig später war es dann soweit und der angezeigte Wert passte zum Gefühl.
Mit anderen Worten, nicht nur immer den Wert trauen, sondern auch das eigene Körpergefühl einbeziehen.

Doch letztendlich sind es eigene Erfahrungen wie man bei sich persönlich verfahren sollte.
Das habe ich in den letzten Tagen wieder gemerkt, mehr auf seine eigenen Körpersymptome achten.

Viele Grüße
Markus

(aus dem Blutdruck-Faden: https://www.forum.diabetesinfo.de/forum/index.php/topic,13720.0.html ).

Einleitung:

Es begab sich: Am Freitag Abend war es schön, also gab es ein erfreuliches Abendessen auf der Terrasse (habe vergessen was - könnte eine Rolle spielen) und danach eine fröhliche Runde mit dem Hund durch den Wald. Der Hand hat gezogen, ich stand auf dem Roller und muss nichts machen (1). Zuhause gab es dann eine Dusche um den Matsch zu entfernen und einen Schokokeks (4BE - war ein großer Keks - mit Insulin). Dann gab es zwei Bier (viele BE, trotzdem kein Insulin - Korrektur vor dem Schlafengehen geplant) und einen Film (habe schon wieder vergessen welchen - nichts berühmtes).

Gegen 22 Uhr wollte ich dann ins Bett. Ich bin inzwischen so verweichlicht und brauche (dingend, sagt meine Frau) meinen Schönheitsschlaf. Auf dem Weg ins Bett also noch mal den Rest der Familie befragt, ob irgendwer was aus der Küche braucht, weil dort das BZ-Test-Zeug liegt. Das Kind wollte Kekse, meine Frau irgendwas nettes zu Trinken. Hab ich gemacht, bin ja brav. Zwei Cocktails für die Erwachsenen, einen Keks für das Kind. Dann haben wir uns noch 10-15 Minuten unterhalten, einen sehr netten Mai Tai getrunken und ab ins Bett.

Hauptteil:

Wie es manchmal so ist, bin ich nachts aufgewacht.

Hier bitte gruselige Musik einfügen, sonst wird das nie was mit der Verfilmung. Meine Frau muss dann übrigens von einem Topmodell gespielt werden, ich natürlich auch.

Ein Blick auf den Wecker hat nicht geholfen, weil ich meine Brille natürlich nachts absetze. Aber aufs Klo ging es immer noch. Das ist (noch?) ungewöhnlich - normalerweise muss ich nicht jede Nacht raus. Weil ich aber auch mitten in der Nacht denke noch denken zu können, habe ich mich an 2 Bier und einen Cocktail erinnert. Und daran, dass ich eigentlich noch einen Blutzucker korrigieren wollte.

Also Pumpe rausgefischt, mal so grob auf Verdacht 3 I.E. abgegeben und wieder ins Bett. Testen ist Nachts und im Dunklen immer zu schwierig, habe ich mal weg gelassen.

Dun dun Duuuuuun (war klar, oder?).

Etwa eine Viertelstunde später fängt das doofe Hundevieh an, wie bescheuert zu bellen. Macht sie ja sonst nicht, war grad nervig. Ich war gerade wieder eingeschlafen - und "ich brauch noch 5 Minuten, Mamma!" rufen nützt seit einigen Jahrzehnten nichts mehr.

Also halt wieder aufgestanden, runter gelaufen, versucht den Hund zu beruhigen. Ging nicht. Hund spinnt. Springt an mir hoch, rennt in Richtung Küche. Blödes Vieh.. überhaupt nicht die Zeit für Leckerli. Gut, dachte ich mir (war das nicht ein literarisch wertvoller Einschub?), hast eh einen hohen Wert, da bist schnell mal gereizter als sonst. Ich könnte ja mal schauen, wie hoch der Wert tatsächlich ist...

Höhepunkt:

Also halt mal gemessen. 32 mg/dl sagte die blutige Messung. So im nachhinein: ja, das CGM hat auch die ganze Nacht herumgedüdelt. Das ging mir irgendwann auf die Nerven, dann hab ich es halt unter eine Bettdecke geschoben. Und wir erinnern uns? Ja genau... vor 15 Minuten kamen da noch mal knapp 10% der Tagesgesamtdosis an Insulin dazu. Um den immens hohen Wert zu korrigieren. Rechnerisch so auf etwa -220 mg/dl ... das könnte ein wenig knapp werden.

Panischer Lösungsansatz:

Also Teil 1: Alle Gummibärchen in der Schublade essen. Teil 2: den bockelharten Traubenzucker aus einem Päckchen bröseln, die Brösel mit dem Löffel zerdrücken, in ein Glas Wasser rühren. Runter damit.. schmeckt eh alles a bisserl nach Adrenalin und Panik. Meine Frau war zum Glück noch am Lesen, also klare Anweisungen: "Mich bitte nicht einschlafen lassen - ich habe was gegessen, aber wenn es nicht reicht ist das mal ein Grund für den Notarzt". Pumpe abstellen.

Etwas weniger panischer Lösungsweg danach:

Naja.. CGM aus dem Deckenhaufen holen lassen (ich wollte nicht mehr die Treppen rauf) und mal zugeschaut. Es ging... Traubenzucker in Wasser wirkt wirklich vergleichsweise schnell und die Gummibärchen haben die 3 I.E. aufgefangen. 15 Minuten Spritz-Ess-Abstand sind scheinbar in etwa richtig. Als der Blutzucker wieder über 70 mg/dl war habe ich auch die Pumpe wieder eingeschaltet. Und bin dann irgendwann ins Bett.

Und? Haben wir was draus gelernt (das war eine rhetorische Frage - ich hätte es auch vorher schon besser wissen müssen).

Im Gegensatz zu LordBritish bin ich der Ansicht, das mein Körpergefühl zu nichts (aber auch gar nichts) mehr taugt. Das weiß ich ja, deswegen habe ich ein CGM. Sport mit unbekanntem Anstrengungsgrad (und das war es .. weil ich eben selbst Scootern musste und nicht der Hund gearbeitet hat) gehört getestet. Wenn das CGM piepst, dann müsste man es auch beachten. Und die Hauptgeschichte, wie immer: Nicht korrigieren ohne zu messen.

Und vielleicht auch noch den Hund loben. Die hat mal echt was gutes gemacht.


(1) das war gelogen: Es war zu warm, deswegen wollte der Hund nicht so viel ziehen wie ich dachte und ich habe relativ viel selbst gerollert.

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16977
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel
« Antwort #1 am: Mai 27, 2019, 11:20 »
...bin ich der Ansicht, das mein Körpergefühl zu nichts (aber auch gar nichts) mehr taugt.
Naja, Du bist zumindest wachgeworden. Passiert mir auch, wenn ich nachts unterzuckere.Ich kann das vom normalen wachwerden dadurch unterscheiden, dass ich bei einem Hypo-Wachwerden auf Anhieb hellwach bin. Wenn ich dann noch ein paar Minuten warte, kommen auch die ersten Hypo-Symptome.
Körpergefühl kann man auch trainieren, bzw. sich selbst darauf konditionieren: einfach mal bei Hypos zurückschauen, welche Gefühle man dabei hatte. Manche haben z.B. einen metallischen Geschmack im Mund, andere ein "flirrendes" Bild vor Augen.
Viele Grüße
Jörg
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

Offline Floh

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 516
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel
« Antwort #2 am: Mai 27, 2019, 12:48 »
Stimmt, und ich will Körpergefühl nicht völlig herunterspielen. Ich kämpfe ja nun schon ein wenig länger mit fehlender Hypowahrnehmung und habe (natürlich) auch das Unterzuckerwahrnehmungstraining gemacht.

Ich tue mir dennoch schwer. Die beiden Symptome, die _bei mir_ reproduzierbar auftreten sind Verlust des Orientierungssinnes und Schwierigkeiten mit anspruchsvollerer Hirntätigkeit. Die Variante aus dem Training war klasse: Von 777 in 7er Schritten rückwärts rechnen und sehen wie lange es dauert (und ob es noch stimmt). Nur .. das hilft natürlich nur dann, wenn man daran denkt zu rechnen. Und nachdem die Eigenbeobachtung scheinbar zu höherer Hirnleistung zählt wird das bei mir immer nix.

Egal.. die Technik rettet es derzeit.

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16977
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel
« Antwort #3 am: Mai 28, 2019, 11:22 »
Ja, das mit der Hirntätigkeit kenne ich auch. (Aber dann bin ich schon mittendrin)Ist als ob man gedanklich durch Kaugummi läuft.
Viele Grüße
Jörg
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

Offline Gyuri

  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 3634
  • Country: de
  • I Got The Blues
  • Diabetestyp: DM 2
  • Therapie: Insulin-Pen
Re: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel
« Antwort #4 am: Mai 28, 2019, 14:05 »
… Ist als ob man gedanklich durch Kaugummi läuft.
Viele Grüße
Jörg
:kratz: So weit kam es bei mir noch nie.
Ich fang zu zittern an (mehr noch als normal mit meinem Tremor)
Schweißausbrüche
Tinitus!!!
und wenns ganz schlimm kommt sind im leicht eingeschränkten Gesichtsfeld Schlieren zu sehen oder auch helle Flecken.
Vom Verstand her hatte ich nie den Eindruck, dass es nicht richtig läuft.
Ich konnte mir auch immer ganz leicht helfen.

Wenn ich von einer Hypo aufwache (Tinitus) ist es "unerwartet".
Bin ich aber wach, kann ich ein nahendes Hypo schon sehr früh abschätzen.

z.B. beim Autofahren kann ich mir überhaupt keine Überraschungen vorstellen.
Da wäre immer Zeit genug, die Fahrt zu unterbrechen.

Beim "Regulieren" mit "Extra-BE" bin ich oft zu unbeherrscht. Dennoch lasse ich IMMER die Finger vom Insulin. Ich kann halt einwenig auf die Eigen-Regulation meiner BSD vertrauen.
Gruß vom Gyuri
„Miss alles, was sich messen lässt,
und mach alles messbar,
was sich nicht messen lässt.“

Archimedes

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 16977
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel
« Antwort #5 am: Mai 29, 2019, 10:24 »
Vom Verstand her hatte ich nie den Eindruck, dass es nicht richtig läuft.
Ich konnte mir auch immer ganz leicht helfen.
Nur damit wir uns nicht missverstehen: bei meiner Beschreibung ging es eher um die Anzeichen, bevor ich das als Hypo erkenne, also noch vor den klasischen Hyposymptomen.Schwere Hypos (das sind die, bei denen Fremdhilfe erforderlich ist) hatte ich bisher auch noch nie (und werde ich daher auch nie haben).
Was bei mir manchmal vorkommt sind Trotzreaktionen: ich registriere den Zustand als Hypo, esse aber nicht sofort etwas; fühle mich davon genervt.Oder ich komme auf die Idee "lass uns mal abwarten, ob das nicht von alleine verschwindet" (was ja auch kappes und unnötig ist)
Also: kognitive Auswirkungen hatte ich auch schon, geschätzt in 10% aller Fälle.
Viele Grüße
Jörg
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

Offline Tarabas

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 524
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 2
  • Therapie: Insulin-Pen
Re: Wie man es nicht macht - ein abschreckendes Beispiel
« Antwort #6 am: Mai 29, 2019, 19:52 »
Die Variante aus dem Training war klasse: Von 777 in 7er Schritten rückwärts rechnen und sehen wie lange es dauert (und ob es noch stimmt).

Wenn das für mich nen Maßstab wäre, würde ich ja permanent im UZ sein  ;D :wech:
Typ 2 - Janumet 50/1000 - fiasp und Levemir - Freestyle Libre