Morgen, Kinder, wird's was geben...Herr König bekommt ein Teelicht geschenkt Es war kalt. Wirklich verdammt kalt. So, wie man sich Weihnachten immer vorstellt: Der Schnee lag dick auf den
Bürgersteigen, die Straßen waren glatt und bevor man mit dem Auto irgendwo hinfahren konnte, musste man
die Scheiben frei kratzen. Herr König hatte kein Auto. Das war ein Vorteil, weil es ihm so erspart blieb, sich mit
vereisten Fenstern herumzuschlagen. Doch gleichzeitig war es auch ein Nachteil, denn so musste Herr König
immer zur nächsten Bushaltestelle laufen, wenn er irgendwohin wollte. Herr König war kein Mensch, der ständig
unterwegs war, aber es ließ sich nun mal nicht vermeiden, ab und zu vor die Tür zu gehen, von irgendetwas
musste er ja leben. Heute war Heiligabend. Herr König lebte allein. Er hatte keine Familie mehr und kaum
Freunde, musste also auch nicht für viele Menschen Geschenke kaufen. Um genau zu sein, musste er nur ein
Geschenk kaufen: für Manfred. Manfred war Herr Königs Nachbar und die beiden verbrachten Jahr für Jahr
den Heiligabend zusammen. Sonst war da niemand, mit dem sie hätten feiern können und so feierten zwei
gemeinsam, die sich nicht besonders nahe standen, die sich noch nicht einmal große Sympathien entgegen-
brachten. Sie waren einfach zwei einsame Menschen an einem Abend, an dem man nicht gerne einsam war.
Herr König brauchte also noch ein Geschenk für einen Menschen, den er kaum kannte und dafür hatte er noch
zwei Stunden. Zwei Stunden, in denen es wohl kaum wärmer werden würde. Um 14 Uhr machten die Geschäfte
zu und der einzige Laden in Herrn Königs Nähe verkaufte Blumen. Nicht mal einen Supermarkt, den man zu Fuß
erreichen konnte, gab es. Um eins beschloss Herr König, für Manfred einen Blumenstrauß zu kaufen. Es hatte
sogar noch angefangen zu schneien und auch wenn ein Blumenstrauß nicht unbedingt das passende Geschenk
war, so war es doch das einzige, für das Herr König nur eine Viertelstunde unterwegs wäre. Er ging los. Dann
hatte er es wenigstens hinter sich. Herr König kaufte einen Strauß für 12,40 €. Einen fertigen Strauß. Der vor-
vorletzte und der sah auch schon nicht mehr ganz frisch aus, aber immerhin war er von den drei letzten immer
noch der hübscheste. Um 18 Uhr klingelte Herr König bei Manfred. Dieser öffnete mit einem breiten Lächeln:
"Kuuuuurt!" Er zog das u extrem lang. "Maaaaaaanfreeeed!" Herr König zog das a und das e extrem lang.
"Komm doch rein!" Herr König betrat den Flur und überreichte Manfred den Blumenstrauß. "Oh! Blumen! Wie
schön! Wie hübsch!" Manfred klopfte Herrn König zum Dank kräftig auf die Schulter. "Komm doch erst mal richtig
rein! Zieh die Schuhe aus, zieh die Jacke aus! Ich hab ja auch noch was für dich, Kurt!" Herr König folgte Manfred
ins Wohnzimmer. Der spärlich geschmückte Tannenbaum stand wie jedes Jahr in der Ecke neben dem Fenster.
"Hier! Bitte schön!" Manfred hielt Herrn König ein Teelicht entgegen. "Ein Teelicht! Toll! Wie schön!" "Nein, nein,
nein! Das ist kein normales Teelicht. Das ist ein Zauberlicht!" "Ein Zauberlicht?" "Jaaaa! Wenn du es anzündest,
musst du dir etwas wünschen und wenn es ganz herunter gebrannt ist, dann geht der Wunsch in Erfüllung!"
Herr König und Manfred verbrachten den Heiligabend wie jedes Jahr: Sie tranken Bier und schauten Filme.
Als Herr König irgendwann mitten in der Nacht wieder nach Hause kam, zündete er das Teelicht an und sagte
laut: "Ich wünsche mir, dass heute Nacht der ganze Schnee schmilzt." Dann legte er sich ins Bett und schlief ein.
Am nächsten Morgen war das Teelicht herunter gebrannt und es schneite schon wieder.......
wünscht der Scrat