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Autor Thema: 17. Dezember 2011  (Gelesen 436 mal)

Offline Ludwig

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17. Dezember 2011
« am: Dezember 17, 2011, 18:25 »
Das Weihnachtsgeschenk

Ihr   ganzes Vermögen war 1 Dollar, 87 Cent, davon 60 Cent in Pennystücken.   Alles mühsam zusammengekratzt und gespart. Und morgen war Weihnachten.   Nichts blieb übrig, als sich auf die kleine, schäbige Couch zu werfen   und zu heulen. Das tat Della denn auch, und es beweist uns, dass sich   das Leben eigentlich aus Schluchzen, Seufzen und Lächeln zusammensetzt,   wobei das Seufzen unbedingt vorherrscht. Inzwischen betrachten wir das   Heim etwas näher. Es ist eine kleine möblierte Wohnung zu acht Dollar in   der Woche. Sie sieht nicht gerade armselig aus, ist davon aber auch   nicht allzu weit entfernt. Unten im Hausflur hängt ein Briefkasten, in   den niemals Briefe geworfen werden; daneben steckt der Knopf einer   elektrischen Klingel, der kaum jemand je einen Ton abschmeichelt. Weiter   befindet sich dort auch eine Karte, die den Namen "Mr. James Dillingham   Young" trägt. Dieses "Dillingham" war während einer Zeit vorübergehen   den Wohlstandes ins Leben gerufen worden, als sein Besitzer dreißig   Dollar in der Woche verdiente. Jetzt, da das Einkommen auf zwanzig   Dollar zusammengeschrumpft ist, muten die Buchstaben von "Dillingham"   etwas verschwommen an, als ob sie ernstlich beabsichtigten, sich zu   einem bescheidenen anspruchslosen "D" zusammenzuziehen. Wenn aber Mr.   J.D.Y. jeweils seine Etage erreichte, so wurde er "Jim" gerufen und von   Frau J.D.Y., uns bereits als Della bekannt, zärtlich umarmt, womit das   Buchstabenproblem unwichtig wurde. Somit ist alles in bester Ordnung.
Della   hörte zu weinen auf und tröstete ihre Wangen mit der Puderquaste. Sie   stand am Fenster und schaute bedrückt einer grauen Katze zu, die im   grauen Hinterhof über einen grauen Zaun balancierte. Morgen war   Weihnachten, und sie hatte nur das wenige Geld, um Jim ein Geschenk zu   kaufen.
Im Zimmer hing zwischen den Fenstern ein Spiegel. Wie hin   gewirbelt stand Della plötzlich mit hell leuchtenden Augen vor ihm.   Rasch löste sie ihr Haar und ließ es in seiner ganzen Länge fallen.
Im   Besitze der J.D.Y.s gab es zwei Dinge, in die sie ihren ganzen Stolz   setzten. Das eine war Jims goldene Uhr, die vor ihm seinem Vater und   seinem Großvater gehört hatte. Das andere war Dellas Haar. Hätte in der   Wohnung jenseits des Hofes die Königin von Saba gewohnt, Della hätte ihr   Haar zum Trocknen aus dem Fenster gehängt, einzig und allein, um die   Juwelen und Schmuckstücke ihrer Majestät wertlos erscheinen zu hassen.   Und wäre König Salomon mit all seinen aufgestapelten Schätzen selbst   Concierge des Hauses gewesen, Jim hätte jedes Mal beim Vorbeigehen seine   Uhr gezückt, um zu sehen, wie König Salomon sich vor Neid den Bart   ausrupfte.
So fiel Dellas Haar wie ein goldener Wasserfall glänzend   und sich kräuselnd an ihr herab. Es reichte ihr bis unter die Knie und   formte beinahe einen Mantel. Mit nervösen Fingern steckte sie es rasch   wieder auf. Einmal zögerte sie einen Augenblick. Zwei Tränen fielen auf   den abgetragenen roten Teppich. Sie schlüpfte in die alte braune Jacke,   setzte den alten braunen Hut auf und huschte, immer noch das glänzende   Leuchten in den Augen, zur Tür hinaus, die Treppen hinunter und durch   die Straße. Sie stand erst still, als sie bei einem Schild anlangte, auf   dem zu lesen war: "Mme. Sofronie, An- und Verkauf von Haar aller Art."   In einem Satz rannte Della ein Stockwerk hinauf; keuchend hielt sie an   und fasste sich. Madame, groß, massig, zu weiß gepudert, sehr kühl, sah   kaum aus, als wäre sie "Sofronie".
"Kaufen Sie mein Haar?" fragte   Della. "Ich kaufe Haar", sagte Madame. "Nehmen Sie den Hut ab und zeigen   Sie, was Sie haben." Herunter rieselte der braune Wasserfall. "20   Dollar", mit geübter Hand wog Madame die Masse.
"Geben Sie es,   rasch", sagte Della. Oh, und die zwei folgenden Stunden vergingen wie   auf rosigen Schwingen. Vergessen war die zermürbende Vorstellung der   fehlenden Haare. Sie durchstöberte die Läden auf der Suche nach Jims   Geschenk. Endlich fand sie es. Sicher war es für Jim und niemand anders   gemacht. Nichts kam ihm gleich in keinem der Läden. Es war eine   Platin-Uhrenkette, einfach und geschmackvoll in Form und Zeichnung. Sie   war es sogar wert, die Uhr zu ketten. Sobald Della die Kette sah, wusste   sie, daß sie Jim gehören musste. Sie war wie er. Einundzwanzig Dollar   nahmen sie ihr dafür ab, und mit den 87 Cent eilte sie heim. Mit dieser   Kette au seiner Uhr durfte Jim in jeder Gesellschaft so eifrig, wie er   wollte, nach der Zeit sehen. So schön die Uhr war, schaute er nämlich   manchmal scheu darauf, weil das alte Lederband, das er an Stelle einer   Kette benützte, so schäbig war.
Als Della zu Hause ankam, ließ ihr   Taumel nach, und sie wurde etwas vernünftig. Sie holte ihre Brennschere   heraus, zündete das Gas an und machte sich daran, die Verheerung, die   Großmütigkeit zusammen mit Liebe angerichtet hatte, wieder gut zu   machen, was immer eine Riesenarbeit ist, liebe Freunde - eine   Mammutaufgabe.
Nach vierzig Minuten war ihr Kopf mit kleinen, nahe   beisammen liegenden Löckchen bedeckt, die ihr ganz das Aussehen eines   Lausbuben gaben. Lange schaute sie ihr Bild an, das der Spiegel   zurückwarf, kritisch und sorgfältig. "Wenn Jim mich nicht tötet", sagte   sie zu sich selbst, "bevor er mich ein zweites Mal anschaut, so wird er   sagen, ich sehe aus wie ein Chormädchen von Coney Island. Aber was   konnte ich tun - oh, was konnte ich tun mit i Dollar und 87 Cent?"
Um   sieben Uhr war der Kaffee gemacht, und die heiße Bratpfanne stand   hinten auf dem Ofen, bereit, die Koteletts aufzunehmen, die darin   gebraten werden sollten.
Jim kam nie spät. Della nahm die Kette in   die Hand und setzte sich auf den Tisch bei der Türe, durch die er immer   hereinkam. Dann hörte sie entfernt seinen Schritt im ersten Stockwerk,   und für einen Augenblick wurde sie ganz weiß. Sie hatte die Gewohnheit,   im stillen kleine Gebete für die einfachsten Alltagsdinge zu sagen, und   sie flüsterte vor sich hin: "Lieber Gott, mach, dass er denkt, ich sei   immer noch hübsch."
Die Tür öffnete sich. Jim kam herein und schloss   sie. Er war mager und hatte ein sehr ernstes Aussehen. Armer Kerl, erst   zweiundzwanzig und schon mit einer Familie beladen. Er hätte dringend   einen neuen Mantel gebraucht und hatte keine Handschuhe. - Jim blieb an   der Tür stehen so unbeweglich wie ein Jagdhund, der eine Fährte wittert.   Seine Augen waren auf Della gerichtet und hatten einen Ausdruck, den   sie nicht deuten konnte und der sie erschreckte. Es war nicht Ärger.   Della sprang vom Tisch herunter und lief auf ihn zu.
"Jim, Lieber",   rief sie weinend, "schau mich nicht so an. Ich ließ mein Haar   abschneiden und verkaufte es, weil ich es nicht ausgehalten hätte, ohne   dir ein Geschenk zu Weihnachten zu geben. Es wird wieder nachwachsen. Du   bist nicht böse, nicht wahr? Ich musste es einfach tun. Mein Haar   wächst unheimlich schnell. Sag >Fröhliche Weihnachten<, Jim, und   laß uns glücklich sein. Du weißt ja gar nicht, welch schönes - wunderbar   schönes Geschenk ich für dich habe."
"Dein Haar hast du   abgeschnitten?" fragte Jim mühsam, als hätte er selbst mit der   strengsten geistigen Arbeit diese offensichtliche Tatsache noch nicht   erfaßt.
"Abgeschnitten und verkauft", sagte Della. "Verkauft ist es,   sag' ich dir, verkauft und fort. Heute ist doch Heiliger Abend, du. Sei   lieb, es ist doch für dich. Sei lieb, ich gab es ja für dich weg. Es   kann ja sein, daß die Haare auf meinem Kopf gezählt waren", fuhr sie mit   plötzlicher, ernsthafter Verliebtheit weiter, "aber niemand könnte je   meine Liebe zu dir zählen. Soll ich jetzt die Koteletts auflegen, Jim?"
Nun   schien Jim rasch aus seinem Trancezustand zu erwachen. Er nahm Della in   seine Arme. Für zehn Sekunden wollen wir mit diskreter Genauigkeit   irgendeinen belanglosen Gegenstand in entgegengesetzter Richtung   eingehend betrachten. Acht Dollar in der Woche oder eine Million im Jahr   - was ist der Unterschied? Ein Witzbold und ein Mathematiker würden uns   beide eine falsche Antwort geben. Indessen zog Jim ein Päckchen aus   seiner Manteltasche und warf es auf den Tisch.
"Du mußt dir über   mich nichts Falsches vorstellen, Della", sagte er. "Ich glaube, da gäbe   es kein Haarschneiden, Dauerwellen oder Waschen in der Welt, das mich   dazu brächte, mein Frauchen weniger zu lieben. Aber wenn du das Paket da   auspackst, wirst du sehen, warum ich mich zuerst eine Weile nicht   erholen konnte."
Weiße Finger zogen an der Schnur, rissen am Papier.   Ein begeisterter Freudenschrei. Und dann - o weh ein rascher, echt   weiblicher Wechsel zu strömenden Tränen und lauten Klagen erforderte die   Anwendung sämtlicher tröstender Kräfte und Einfälle des Herrn des   Hauses. Denn da lagen sie, die Kämme - die Garnitur von Kämmen, seitlich   und rückwärts einzustecken, die Della so lange im Schaufenster einer   Hauptstraße bewundert hatte. Fabelhafte Kämme, echtes Schildpatt, mit   echten Steinen besetzt - gerade in den Farbtönen, die in dem wundervoll   verschwundenen Haar so schön gespielt hätten. Es waren teure Kämme. Sie   wusste es. Mit ganzem Herzen hatte sie diese Wunder begehrt. Und jetzt   gehörten sie ihr, aber die Zöpfe, die mit diesen begehrenswerten   Schmuckstücken hätten geziert werden sollen, waren fort.
Trotzdem   drückte sie sie an ihr Herz, und endlich konnte sie auch mit   verschleierten Augen aufsehen und lächelnd sagen: "Mein Haar wächst ja   so schnell, Jim!"
Und dann sprang Della auf wie eine kleine Katze,   die sich gebrannt hat, indem sie immerzu "Oh, oh" rief. Jim hatte ja   sein wunderschönes Geschenk noch nicht gesehen. Sie hielt es ihm auf der   offenen Hand eifrig entgegen. Das wertvolle, matt glänzende Metall   schien ihre heitere und feurige Seele widerzuspiegeln.
"Ist es nicht   großartig - das einzig Wahre? Ich habe danach gejagt, bis ich es fand.   Du wirst jetzt jeden Tag hundertmal sehen müssen, wie viel Uhr es ist.   Gib mir deine Uhr, ich muss sehen, wie die Kette daran aussieht."
Anstatt zu gehorchen, machte es sich Jim auf der Couch bequem, legte die Hände hinter den Kopf und lächelte.
"Dell",   sagte er, "wir wollen unsere Weihnachtsgeschenke noch für einige Zeit   aufbewahren, sie sind zu schön, als dass wir sie jetzt gebrauchen   könnten. Denke, ich habe die Uhr verkauft, um das Geld für deine Kämme   zu erhalten. Und jetzt, glaub' ich, ist es das Beste, du stellst die   Koteletts auf"
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Als ich ein Bursche von 14 war, verhielt sich mein Vater so überheblich, daß ich es kaum aushalten konnte, mit ihm zusammen zu sein. Als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, was der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte! M. Twain